Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel. Ursprungsbezeichnungen und geografische Angaben. Übergangsweiser nationaler Schutz. Geografische Angabe zur Bezeichnung eines landwirtschaftlichen Erzeugnisses, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats eingetragen und auf nationaler Ebene geschützt ist
Normenkette
Verfahrensordnung des Gerichtshofs Art. 99; Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 Art. 9
Beteiligte
Tenor
Die Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel ist dahin auszulegen, dass sie der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die ein nationales System für die Eintragung und den Schutz qualifizierter geografischer Bezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel vorsieht, die in den Geltungsbereich dieser Verordnung fallen, das nur auf Rechtsstreitigkeiten angewendet werden soll, die Verletzungen von Rechten aus diesen Bezeichnungen betreffen, und bei denen sich Händler dieses Mitgliedstaats gegenüberstehen, die in dessen Hoheitsgebiet Erzeugnisse produzieren, für die diese Bezeichnungen nach dieser Regelung eingetragen worden sind.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Varhoven kasatsionen sad (Oberstes Kassationsgericht, Bulgarien) mit Entscheidung vom 29. Dezember 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 19. Januar 2021, in dem Verfahren
”Konservinvest” OOD
gegen
”Bulkons Parvomay” OOD
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer),
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten I. Jarukaitis (Berichterstatter) sowie der Richter M. Ilešič und Z. Csehi,
Generalanwalt: N. Emiliou,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der „Konservinvest” OOD, vertreten durch Y. Ivanova und P. Angelov, Advokati,
- der „Bulkons Parvomay” OOD, vertreten durch M. Georgieva-Tabakova, Advokat,
- der Europäischen Kommission zunächst vertreten durch M. Konstantinidis, I. Naglis und G. Koleva, dann durch M. Konstantinidis und G. Koleva als Bevollmächtigte,
aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,
folgenden
Beschluss
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 9 der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (ABl. 2012, L 343, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der „Konservinvest” OOD und der „Bulkons Parvomay” OOD (im Folgenden: Bulkons) wegen der Verwendung von Handelsmarken durch Konservinvest, die die Rechte von Bulkons an der geografischen Angabe „Lyutenitsa Parvomay” verletzten sollen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Verordnung (EG) Nr. 510/2006
Rz. 3
Die Verordnung (EG) Nr. 510/2006 des Rates vom 20. März 2006 zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (ABl. 2006, L 93, S. 12), in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1791/2006 des Rates vom 20. November 2006 (ABl. 2006, L 363, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 510/2006), sah in Art. 5 Abs. 8 Unterabs. 2 vor, dass die Republik Bulgarien und Rumänien spätestens ein Jahr nach dem Tag des Beitritts die erforderlichen Rechts- oder Verwaltungsvorschriften erlassen, um den Abs. 4 bis 7 dieses Art. 5 nachzukommen.
Rz. 4
Die Verordnung Nr. 510/2006 sah in Art. 5 Abs. 11 vor:
„Für Bulgarien und Rumänien kann der am Tag des Beitritts bestehende nationale Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen von diesem Tag an zwölf Monate lang weiter bestehen.
Wird der Kommission vor Ablauf des genannten Zeitraums ein Antrag auf Eintragung nach dieser Verordnung übermittelt, so endet ein solcher Schutz an dem Tag, an dem eine Entscheidung über die Eintragung nach dieser Verordnung getroffen wird.
Für den Fall, dass die Bezeichnung nicht nach dieser Verordnung eingetragen wird, trägt allein der betreffende Mitgliedstaat die Verantwortung für die Folgen eines solchen nationalen Schutzes.”
Rz. 5
Diese Verordnung wurde mit Wirkung vom 3. Januar 2013 durch die Verordnung Nr. 1151/2012 aufgehoben und ersetzt.
Verordnung Nr. 1151/2012
Rz. 6
In den Erwägungsgründen 13 bis 15, 17, 18, 20 und 24 der Verordnung Nr. 1151/2012 heißt es:
„(13) … sollten die folgenden Vorschriften in einem einzigen Rechtsrahmen zusammengefasst werden, der die neuen oder aktualisierten Vorschriften der Verordnungen (EG) Nr. [510/2006] und [509/2006 des Rates vom 20. März 2006 über die garantiert traditionellen Spezialitäten bei Agrarerzeugnissen und Lebensmitteln (ABl. 2006, L 93, S. 1)] sowie die Vorschriften der Verordnungen [Nr. 509/2006 und Nr. 510/2006], die beibehalten werden, u...