Entscheidungsstichwort (Thema)
Freier Dienstleistungsverkehr. Rechtsangleichung. Vorlage zur Vorabentscheidung. Öffentliche Aufträge. Zugang zu den Nachprüfungsverfahren. Bieter, der durch eine bestandskräftig gewordene Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers vom Vergabeverfahren ausgeschlossen wurde. Nationale Regelung, die einem solchen Bieter den Zugang zu einem Rechtsbehelf verwehrt. Fehlendes Rechtsschutzinteresse
Normenkette
Verfahrensordnung des Gerichtshofs Art. 99; Richtlinie 2009/81/EG Art. 55 Abs. 4, Art. 57 Abs. 2
Beteiligte
Ministerul Apărării Naţionale |
Tenor
Art. 55 Abs. 4 und Art. 57 Abs. 2 der Richtlinie 2009/81/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe bestimmter Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit und zur Änderung der Richtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG
sind dahin auszulegen, dass
sie dem entgegenstehen, dass ein Bieter, der durch eine bestandskräftig gewordene Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers von einem Vergabeverfahren ausgeschlossen wurde, Zugang zu einem Rechtsbehelf gegen den mit dem erfolgreichen Bieter geschlossenen Vertrag hat.
Tatbestand
In der Rechtssache C-493/22
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Curtea de Apel Bucureşti (Berufungsgericht Bukarest, Rumänien) mit Entscheidung vom 28. Juni 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Juli 2022, in dem Verfahren
Armaprocure SRL
gegen
Ministerul Apărării Naţionale,
BlueSpace Technology SRL
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Safjan sowie der Richter N. Jääskinen und M. Gavalec (Berichterstatter),
Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,
folgenden
Beschluss
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 55 Abs. 4, Art. 56 Abs. 3, Art. 57 Abs. 2, Art. 60 Abs. 1 Buchst. b und Art. 61 der Richtlinie 2009/81/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe bestimmter Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit und zur Änderung der Richtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG (ABl. 2009, L 216, S. 76).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Armaprocure SRL einerseits sowie dem Ministerul Apărării Naţionale (Ministerium für Nationale Verteidigung, Rumänien) und der BlueSpace Technology SRL andererseits über die Entscheidung dieses Ministeriums, das Angebot von Armaprocure abzulehnen und einen öffentlichen Auftrag zur Beschaffung von Schießständen an das von BlueSpace Technology mit der nationalen Gesellschaft Romarm SA gebildete Konsortium (im Folgenden: Konsortium) zu vergeben.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 2009/81
Rz. 3
Im 72. Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/81 heißt es:
„Die Einhaltung der Transparenz- und Wettbewerbsanforderungen sollte durch ein wirksames Nachprüfungsverfahren nach dem Vorbild des Verfahrens gewährleistet werden, das die Richtlinien 89/665/EWG [des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge (ABl. 1989, L 395, S. 33), geändert durch die Richtlinie 2007/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007 (ABl. 2007, L 335, S. 31) (im Folgenden: Richtlinie 89/665),] und 92/13/EWG [des Rates vom 25. Februar 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften über die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor (ABl. 1992, L 76, S. 14), geändert durch die Richtlinie 2007/66,] für unter die Richtlinien 2004/17/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste (ABl. 2004, L 134, S. 1)] und 2004/18/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. 2004, L 134, S. 114)] fallende Aufträge vorsehen. Insbesondere sollten die Möglichkeit einer Anfechtung des Vergabeverfahrens vor Vertragsunterzeichnung und die für die Wirksamkeit der Nachprüfung erforderlichen Garantien, wie beispielsweise eine Stillhaltefrist, vorgesehen werden. Es sollte auch die Möglichkeit bestehen, rechtswidrige Direktvergaben oder Vertragsschlüsse, die gegen diese Richtlinie verstoßen, anzufechten.“
Rz. 4
Art. 55 („Anwendungsbereich und Zuga...