Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschleunigtes Verfahren
Beteiligte
Bundesrepublik Deutschland |
Tenor
Der Antrag des Bundesverwaltungsgerichts (Deutschland), die Rechtssache C-438/17 dem in Art. 105 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs vorgesehenen beschleunigten Verfahren zu unterwerfen, wird zurückgewiesen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesverwaltungsgericht (Deutschland) mit Entscheidung vom 1. Juni 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Juli 2017, in dem Verfahren
Bundesrepublik Deutschland
gegen
Taus Magamadov
erlässt
DER PRÄSIDENT DES GERICHTSHOFS
nach Anhörung des Berichterstatters M. Ilešič und des Generalanwalts M. Wathelet
folgenden
Beschluss
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft u. a. die Auslegung von Art. 33 Abs. 2 Buchst. a und Art. 51 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (ABl. 2013, L 180, S. 60).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Herrn Taus Magamadov, einem Asylbewerber mit russischer Staatsangehörigkeit und nach eigenen Angaben tschetschenischer Volkszugehörigkeit, der in Polen wohnhaft war, wegen einer Entscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Deutschland, im Folgenden: Bundesamt), ihm das Asylrecht mit der Begründung zu versagen, dass er aus einem sicheren Drittstaat eingereist sei.
Rz. 3
Der Kläger des Ausgangsverfahrens reiste im Jahr 2007 nach Polen ein, wo ihm mit Bescheid vom 13. Oktober 2008 subsidiärer Schutz gewährt wurde. Im Juni 2012 reiste er mit seiner Ehefrau und einem Kind nach Deutschland weiter, wo er am 19. Juni 2012 einen Asylantrag stellte.
Rz. 4
Am 13. Februar 2013 richtete das Bundesamt ein Wiederaufnahmeersuchen an die polnischen Behörden, die am 18. Februar 2013 ihre Bereitschaft zur Wiederaufnahme des Klägers und seiner Familie erklärten.
Rz. 5
Mit Bescheid vom 13. März 2013 stellte das Bundesamt ohne inhaltliche Prüfung fest, dass die Asylanträge des Klägers und seiner Familie wegen der Zuständigkeit der Republik Polen für die Prüfung dieser Anträge unzulässig seien, und ordnete ihre Überstellung nach Polen an. Nachdem es wegen medizinischer Probleme der Ehefrau des Klägers nicht zu einer fristgerechten Überstellung gekommen war, hob das Bundesamt mit Bescheid vom 24. September 2013 seinen Bescheid vom 13. März 2013 auf, weil die Bundesrepublik Deutschland wegen Ablaufs der Überstellungsfrist zuständig geworden sei. Mit Bescheid vom 23. Juni 2014 versagte das Bundesamt dem Kläger aufgrund seiner Einreise aus Polen den internationalen Schutz und das Asylrecht und ordnete seine Abschiebung in diesen Staat an.
Rz. 6
Mit Urteil vom 19. Mai 2015 wies das Verwaltungsgericht (Deutschland) die Klage gegen den Bescheid vom 23. Juni 2014 ab.
Rz. 7
Mit Urteil vom 21. April 2016 hob das Oberverwaltungsgericht (Deutschland) den Bescheid des Bundesamts vom 23. Juni 2014 auf. Es führte aus, die Regel, dass einem aus einem sicheren Drittstaat eingereisten ausländischen Staatsangehörigen kein Asylrecht zustehe, sei im Ausgangsverfahren nicht anwendbar, weil die in § 26a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 des Asylgesetzes vorgesehene Ausnahme vorliege, nach der die Regel des sicheren Drittstaats nicht greife, wenn die Bundesrepublik Deutschland – wie hier – nach Unionsrecht zuständig geworden sei. Da der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Asylantrag vor dem 20. Juli 2015 gestellt worden sei, sei die Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (ABl. 2005, L 326, S. 13) anzuwenden. Sie lasse die Abweisung eines Asylantrags ohne materielle Prüfung aber nur dann zu, wenn ein anderer Mitgliedstaat der betreffenden Person die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt habe.
Rz. 8
Die Bundesrepublik Deutschland legte beim Bundesverwaltungsgericht (Deutschland) Revision gegen dieses Urteil ein. Sie macht u. a. geltend, für die Anwendung der Regel des sicheren Drittstaats sei ein nachträglicher Zuständigkeitsübergang unbeachtlich. Jedenfalls sei der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Asylantrag nunmehr nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 des Asylgesetzes in der Fassung des am 6. August 2016 in Kraft getretenen Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. 2016 I S. 1939), dessen Inhalt dem von Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32 entspreche, unzulässig, weil dem Kläger in Polen internationaler Schutz gewährt worden sei. Der Kläger meint hingegen, sein am 19. Juni 2012 gestellter Asylantrag sei nicht unzulässig, da die Republik Polen ihm nicht den Flüchtlingsstatus, sondern lediglich subsidiären Schutz zuerkannt habe.
Rz. 9
Unter diesen Umständen hat das vorlegende Gericht beschlossen, das Verfahren auszusetzen und den Gerichtshof im Wege der Vorabe...