Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuervergütung, Verfristung eines Vergütungsantrags, Nichteinhaltung der 1-Monats-Antwortfrist, Anforderung zusätzlicher Informationen durch die Erstattungsbehörde, Fristsetzung durch die Erstattungsbehörde
Normenkette
EGRL 9/2008 Art. 20 Abs. 2
Beteiligte
Sea Chefs Cruise Services |
Sea Chefs Cruise Services GmbH |
Ministre de l'Action et des Comptes publics |
Verfahrensgang
Tribunal administratif de Montreuil (Frankreich) (Beschluss vom 14.02.2018; ABl. EU 2018, Nr. C 166/20) |
Tenor
Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie 2008/9/EG des Rates vom 12. Februar 2008 zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige ist dahin auszulegen, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Frist von einem Monat, um dem Mitgliedstaat der Erstattung die von ihm angeforderten zusätzlichen Informationen zur Verfügung zu stellen, keine Ausschlussfrist ist, die bedeutet, dass der Steuerpflichtige, wenn er die Frist überschreitet oder nicht antwortet, die Möglichkeit einbüßt, Mängel seines Erstattungsantrags dadurch zu beheben, dass er unmittelbar vor dem nationalen Gericht zusätzliche Informationen vorlegt, die zum Nachweis der Existenz seines Rechts auf Erstattung der Mehrwertsteuer geeignet sind.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal administratif de Montreuil (Verwaltungsgericht Montreuil, Frankreich) mit Entscheidung vom 14. Februar 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Februar 2018, in dem Verfahren
Sea Chefs Cruise Services GmbH
gegen
Ministre de l'Action et des Comptes publics
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Richter F. Biltgen, J. Malenovský und C. G. Fernlund (Berichterstatter) sowie der Richterin L. S. Rossi,
Generalanwalt: G. Hogan,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Sea Chefs Cruise Services GmbH, vertreten durch D. Martin-Picod, avocate,
- der französischen Regierung, vertreten durch A. Alidière, E. de Moustier und D. Colas als Bevollmächtigte,
- der spanischen Regierung, vertreten durch S. Jiménez García als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch N. Gossement und J. Jokubauskaite als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17. Januar 2019
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie 2008/9/EG des Rates vom 12. Februar 2008 zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige (ABl. 2008, L 44, S. 23).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Sea Chefs Cruise Services GmbH (im Folgenden: Sea Chefs), einer Gesellschaft mit Sitz in Deutschland, und dem Ministre de l'Action et des Comptes publics (Minister für staatliches Handeln und öffentliche Haushalte, Frankreich) über dessen Entscheidung, den Antrag von Sea Chefs auf Erstattung der von ihr für das Jahr 2014 entrichteten Mehrwertsteuer abzulehnen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 2008/9
Rz. 3
Im zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/9 heißt es:
„Die Regelungen [der Achten Richtlinie 79/1072/EWG des Rates vom 6. Dezember 1979 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Verfahren zur Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Inland ansässige Steuerpflichtige (ABl. 1979, L 331, S. 11)] sollten hinsichtlich der Frist, innerhalb deren die Entscheidungen über die Erstattungsanträge den Unternehmen mitzuteilen sind, geändert werden. Gleichzeitig sollte vorgesehen werden, dass auch die Unternehmen innerhalb bestimmter Fristen antworten müssen. Außerdem sollte das Verfahren vereinfacht und durch den Einsatz fortschrittlicher Technologien modernisiert werden.”
Rz. 4
Der dritte Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/9 lautet:
„Das neue Verfahren sollte die Stellung der Unternehmen stärken, da die Mitgliedstaaten zur Zahlung von Zinsen verpflichtet sind, falls die Erstattung verspätet erfolgt; zudem wird das Einspruchsrecht der Unternehmen gestärkt.”
Rz. 5
Art. 1 der Richtlinie bestimmt:
„Diese Richtlinie regelt die Einzelheiten der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß Artikel 170 der Richtlinie 2006/112/EG [des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1)] an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung ansässige Steuerpflichtige …”
Rz. 6
Art. 2 der Richtlinie 2008/9 sieht vor:
„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
…
5. ‚Antragsteller’ den nicht im Mitgliedstaat der Erstattung ansässigen Steuerpflichtigen, der den Erstattungsantrag stellt.”
Rz. 7
Art. 3 der Richtlinie bestimmt:
„Diese Richtlinie gilt für jeden nicht im Mitgl...