Entscheidungsstichwort (Thema)
Gerichtliche Zuständigkeit sowie Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. Verordnung (EG) Nr. 44/2001. Besondere Zuständigkeiten. Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Gedankenstrich. Gerichtsstand des Erfüllungsorts der vertraglichen Verpflichtung, die den Gegenstand des Verfahrens bildet. Verkauf beweglicher Sachen. In verschiedene Orte eines Mitgliedstaats gelieferte bewegliche Sachen
Beteiligte
Lexx International Vertriebs GmbH |
Tenor
Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Gedankenstrich der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass diese Bestimmung auch im Fall mehrerer Lieferorte in einem Mitgliedstaat anwendbar ist. In einem solchen Fall ist für die Entscheidung über sämtliche Klagen aus einem Vertrag über den Verkauf beweglicher Sachen das Gericht zuständig, in dessen Sprengel sich der Ort der nach wirtschaftlichen Kriterien zu bestimmenden Hauptlieferung befindet. Lässt sich der Ort der Hauptlieferung nicht feststellen, so kann der Kläger den Beklagten vor dem Gericht des Lieferorts seiner Wahl verklagen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 68 EG und 234 EG, eingereicht vom Obersten Gerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 28. September 2005, beim Gerichtshof eingegangen am 24. Oktober 2005, in dem Verfahren
Color Drack GmbH
gegen
Lexx International Vertriebs GmbH
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts (Berichterstatter), des Richters E. Juhász, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter G. Arestis und T. von Danwitz,
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 23. November 2006,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Lexx International Vertriebs GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt H. Weben,
- der deutschen Regierung, vertreten durch A. Dittrich und M. Lumma als Bevollmächtigte,
- der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von W. Ferrante, avvocato dello Stato,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Nwaokolo als Bevollmächtigte im Beistand von A. Henshaw, Barrister,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A.-M. Rouchaud-Joët und W. Bogensberger als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 15. Februar 2007
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Gedankenstrich der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).
Die Verordnung Nr. 44/2001
2 Nach dem zweiten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 44/2001 ist es „unerlässlich, Bestimmungen zu erlassen, um die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen zu vereinheitlichen und die Formalitäten im Hinblick auf eine rasche und unkomplizierte Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus den durch diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaaten zu vereinfachen”.
3 Nach dem elften Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 44/2001 müssen die „Zuständigkeitsvorschriften … in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten, und diese Zuständigkeit muss stets gegeben sein außer in einigen genau festgelegten Fällen, in denen aufgrund des Streitgegenstands oder der Vertragsfreiheit der Parteien ein anderes Anknüpfungskriterium gerechtfertigt ist”.
4 Die Zuständigkeitsvorschriften der Verordnung Nr. 44/2001 stehen in deren Kapitel II, das die Art. 2 bis 31 umfasst.
5 In Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001, der zu Kapitel II Abschnitt 1 „Allgemeine Vorschriften”) gehört, heißt es:
„Vorbehaltlich der Vorschriften dieser Verordnung sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen.”
6 Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001, der zum selben Abschnitt gehört, bestimmt:
„Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, können vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats nur gemäß den Vorschriften der Abschnitte 2 bis 7 dieses Kapitels verklagt werden.”
7 Art. 5 der Verordnung Nr. 44/2001, der zu Kapitel II Abschnitt 2 „Besondere Zuständigkeiten”) gehört, sieht vor:
„Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden:
1.
- wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist o...