Entscheidungsstichwort (Thema)
Markenrecht. Verordnung (EG) Nr. 40/94 – Art. 13 Abs. 1. Richtlinie 89/104/EWG – Art. 7 Abs. 1. Erschöpfung der Rechte des Markeninhabers. Begriff ‚in den Verkehr gebrachte Ware’. Zustimmung des Inhabers. Sogenannte Parfümtester, die vom Inhaber einer Marke einem Depositär zur Verfügung gestellt wurden, der einem selektiven Vertriebsnetz angehört
Beteiligte
Coty Prestige Lancaster Group |
Coty Prestige Lancaster Group GmbH |
Tenor
Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke und Art. 7 Abs. 1 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken in der durch das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 geänderten Fassung sind unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens dahin gehend auszulegen, dass eine Erschöpfung der durch die Marke verliehenen Rechte nur dann eintritt, wenn nach der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Würdigung davon ausgegangen werden kann, dass der Markeninhaber einem Inverkehrbringen der Erzeugnisse, für die die Erschöpfung geltend gemacht wird, in der Europäischen Gemeinschaft bzw. im Europäischen Wirtschaftsraum ausdrücklich oder konkludent zugestimmt hat.
Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens, in dem „Parfümtester” ohne Übertragung des Eigentums und mit dem Verbot des Verkaufs an vertraglich an den Markeninhaber gebundene Zwischenhändler überlassen werden, damit deren Kunden den Inhalt der Ware zu Testzwecken verbrauchen können, und jederzeit ein Rückruf der Ware durch den Markeninhaber möglich ist und sich die Aufmachung der Ware von der Aufmachung der den genannten Zwischenhändlern üblicherweise vom Markeninhaber zur Verfügung gestellten Parfümflakons unterscheidet, steht die Tatsache, dass es sich bei diesen Testern um Parfümflakons mit der Aufschrift „Demonstration” und „Unverkäuflich” handelt, in Ermangelung gegenteiliger Beweise, deren Würdigung Sache des vorlegenden Gerichts ist, der Annahme einer konkludenten Zustimmung des Markeninhabers zum Inverkehrbringen dieser Flakons entgegen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Oberlandesgericht Nürnberg (Deutschland) mit Entscheidung vom 31. März 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 6. April 2009, in dem Verfahren
Coty Prestige Lancaster Group GmbH
gegen
Simex Trading AG
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, der Richterin C. Toader sowie der Richter C. W. A. Timmermans (Berichterstatter), P. Kūris und L. Bay Larsen,
Generalanwalt: P. Cruz Villalón,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Coty Prestige Lancaster Group GmbH, vertreten durch Rechtsanwälte C. Lehment und U. Hildebrandt,
- der Simex Trading AG, vertreten durch Rechtsanwalt E. Stolz,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von M. Russo, avvocato dello Stato,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch H. Krämer als Bevollmächtigten,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) und Art. 7 Abs. 1 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1) in der durch das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 89/104).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Coty Prestige Lancaster Group GmbH (im Folgenden: Coty Prestige), einer Gesellschaft mit Sitz in Mainz (Deutschland), und der Simex Trading AG (im Folgenden: Simex Trading), einer Gesellschaft mit Sitz in Appenzell (Schweiz), in dem Coty Prestige Simex Trading auf Unterlassung in Anspruch nimmt, weil diese durch den Vertrieb von Parfümerieerzeugnissen in Deutschland die Rechte verletze, die mit Gemeinschafts- und internationalen Marken verbunden seien, deren Inhaberin Coty Prestige sei oder an denen sie die Rechte halte.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 13 der Verordnung Nr. 40/94 „Erschöpfung des Rechts aus der Gemeinschaftsmarke” sieht in Abs. 1 vor:
„Die Gemeinschaftsmarke gewährt ihrem Inhaber nicht das Recht, einem Dritten zu verbieten, die Marke für Waren zu benutzen, die unter dieser Marke von ihm oder mit seiner Zustimmung in der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht worden sind.”
Rz. 4
Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 89/104 lautete in seiner...