Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Vergabe öffentlicher Dienstleistungs-, Liefer- und Bauaufträge. Ablauf des Verfahrens. Auswahl der Teilnehmer und Auftragsvergabe. Bieter, der die Kapazitäten eines anderen Unternehmens in Anspruch nimmt, um die Anforderungen des öffentlichen Auftraggebers zu erfüllen. Von diesem Unternehmen eingereichte unwahre Erklärungen. Ausschluss des Bieters, ohne ihn zu verpflichten oder ihm zu erlauben, dieses Unternehmen zu ersetzen. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

 

Normenkette

Richtlinie 2014/24/EU Art. 63, 57 Abs. 4, 6-7

 

Beteiligte

Rad Service u.a

Rad Service Srl Unipersonale

Cosmo Ambiente Srl

Cosmo Scavi Srl

Del Debbio SpA

Gruppo Sei Srl

Ciclat Val di Cecina Soc. Coop

Daf Costruzioni Stradali Srl

 

Tenor

Art. 63 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG in Verbindung mit deren Art. 57 Abs. 4 Buchst. h ist unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dahin auszulegen, dass er nationalen Rechtsvorschriften entgegensteht, nach denen der öffentliche Auftraggeber einen Bieter automatisch von einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags auszuschließen hat, wenn ein Hilfsunternehmen, dessen Kapazitäten er in Anspruch nehmen möchte, eine wahrheitswidrige Erklärung zum Vorliegen rechtskräftiger strafrechtlicher Verurteilungen vorgelegt hat, ohne dem Bieter in einem solchen Fall vorschreiben oder zumindest gestatten zu dürfen, dieses Unternehmen zu ersetzen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) mit Entscheidung vom 20. Februar 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 30. März 2020, in dem Verfahren

Rad Service Srl Unipersonale,

Cosmo Ambiente Srl,

Cosmo Scavi Srl

gegen

Del Debbio SpA,

Gruppo Sei Srl,

Ciclat Val di Cecina Soc. Coop.,

Daf Costruzioni Stradali Srl,

Beteiligte:

Azienda Unità Sanitaria Locale USL Toscana Centro,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten N. Piçarra sowie der Richter D. Šváby (Berichterstatter) und S. Rodin,

Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Del Debbio SpA, der Gruppo Sei Srl und der Ciclat Val di Cecina Soc. Coop., vertreten durch A. Manzi und F. Bertini, avvocati,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von C. Colelli und S. L. Vitale, avvocati dello Stato,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Gattinara, P. Ondrůšek und K. Talabér-Ritz als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 49 und 56 AEUV sowie von Art. 63 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. 2014, L 94, S. 65).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen den zur Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Rad Service zusammengeschlossenen Unternehmen Rad Service Srl Unipersonale, Cosmo Ambiente Srl und Cosmo Scavi Srl (im Folgenden: ARGE Rad Service) auf der einen und der Del Debbio SpA, der Gruppo Sei Srl, der Ciclat Val di Cecina Soc. Coop. (im Folgenden: ARGE Del Debbio) sowie der aus den Unternehmen DAF Costruzioni Stradali Srl, GARC SpA und Edil Moter Srl gebildeten Arbeitsgemeinschaft (im Folgenden: ARGE Daf) auf der anderen Seite über die Entscheidung der Azienda Unità Sanitaria Locale Toscana Centro (lokale Gesundheitsbehörde der Region Toskana Mitte, Italien), die ARGE Del Debbio von einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Bauauftrags auszuschließen.

Rechtlicher Rahmen

Richtlinie 2014/24

Rz. 3

Die Erwägungsgründe 84, 101 und 102 der Richtlinie 2014/24 lauten:

„(84) Nach Auffassung vieler Wirtschaftsteilnehmer – und nicht zuletzt der [kleinen und mittleren Unternehmen (KMU)] – ist eines der Haupthindernisse für ihre Beteiligung an öffentlichen Vergabeverfahren der Verwaltungsaufwand im Zusammenhang mit der Beibringung einer Vielzahl von Bescheinigungen oder anderen Dokumenten, die die Ausschluss- und Eignungskriterien betreffen. Eine Beschränkung der entsprechenden Anforderungen, beispielsweise durch die Verwendung einer Einheitlichen Europäischen Eigenerklärung, die aus einer aktualisierten Eigenerklärung besteht, könnte eine erhebliche Vereinfachung zum Nutzen sowohl der öffentlichen Auftraggeber als auch der Wirtschaftsteilnehmer bedeuten.

Der Bieter, dem der Zuschlag erteilt werden soll, sollte jedoch die relevanten Nachweise vorlegen müssen; öffentliche Auftraggeber sollten keine Verträge mit Bietern schließen, die dazu nicht in der Lage sind. Öffentliche Auftraggeber sollten auch berechtigt s...

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