Entscheidungsstichwort (Thema)
Gerichtliche Zuständigkeit. Klagen aus unerlaubter Handlung. Urhebervermögensrechte. Physisches Trägermedium, das ein geschütztes Werk wiedergibt. Veröffentlichung im Internet. Bestimmung des Ortes der Verwirklichung des Schadenserfolgs
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 44/2001
Beteiligte
Tenor
Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass im Fall der Geltendmachung einer Verletzung von Urhebervermögensrechten, die vom Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts gewährleistet werden, dieses Gericht für eine Haftungsklage des Urhebers eines Werkes gegen eine Gesellschaft zuständig ist, die in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist und das Werk dort auf einem physischen Trägermedium vervielfältigt hat, das anschließend von Gesellschaften mit Sitz in einem dritten Mitgliedstaat über eine auch im Bezirk des angerufenen Gerichts zugängliche Website veräußert wird. Dieses Gericht ist nur für die Entscheidung über den Schaden zuständig, der im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats verursacht worden ist, zu dem es gehört.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour de cassation (Frankreich) mit Entscheidung vom 5. April 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 11. April 2012, in dem Verfahren
Peter Pinckney
gegen
KDG Mediatech AG
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen, der Richter J. Malenovský, U. Lõhmus und M. Safjan (Berichterstatter) sowie der Richterin A. Prechal,
Generalanwalt: N. Jääskinen,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Pinckney, vertreten durch J. de Salve de Bruneton, avocat,
- der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und B. Beaupère-Manokha als Bevollmächtigte,
- der griechischen Regierung, vertreten durch S. Chala als Bevollmächtigte,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,
- der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna und M. Szpunar als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch A.-M. Rouchaud-Joët als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 13. Juni 2013
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1, im Folgenden: Verordnung).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Pinckney, einem französischen Gebietsansässigen, und der KDG Mediatech AG (im Folgenden: Mediatech), einer in Österreich niedergelassenen Gesellschaft, wegen Schadensersatz, den Herr Pinckney geltend macht, weil Mediatech seine Urhebervermögensrechte verletzt habe.
Rechtlicher Rahmen
Verordnung
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 2, 11, 12 und 15 der Verordnung heißt es:
„(2) Die Unterschiede zwischen bestimmten einzelstaatlichen Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung von Entscheidungen erschweren das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts. Es ist daher unerlässlich, Bestimmungen zu erlassen, um die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen zu vereinheitlichen und die Formalitäten im Hinblick auf eine rasche und unkomplizierte Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus den durch diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaaten zu vereinfachen.
…
(11) Die Zuständigkeitsvorschriften müssen in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten, und diese Zuständigkeit muss stets gegeben sein außer in einigen genau festgelegten Fällen, in denen aufgrund des Streitgegenstands oder der Vertragsfreiheit der Parteien ein anderes Anknüpfungskriterium gerechtfertigt ist. Der Sitz juristischer Personen muss in der Verordnung selbst definiert sein, um die Transparenz der gemeinsamen Vorschriften zu stärken und Kompetenzkonflikte zu vermeiden.
(12) Der Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten muss durch alternative Gerichtsstände ergänzt werden, die entweder aufgrund der engen Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit oder im Interesse einer geordneten Rechtspflege zuzulassen sind.
…
(15) Im Interesse einer abgestimmten Rechtspflege müssen Parallelverfahren so weit wie möglich vermieden werden, damit nicht in zwei Mitgliedstaaten miteinander unvereinbare Entscheidungen ergehen. …”
Rz. 4
Die Zuständigkeitsvorschriften sind in Kapitel II der Verordnung enthalten, das die Art. 2 bis 31 umfasst.
Rz. 5
Art. 2 Abs. 1 in Abschnitt 1 („Allgemeine Vorschriften”) des Kapitels II der Verordnung laute...