Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Informationsgesellschaft. Freier Dienstleistungsverkehr. Verantwortlichkeit von Diensteanbietern, die als Mittler auftreten. Anbieter von Hosting-Diensten. Möglichkeit, vom Anbieter zu verlangen, dass er eine Rechtsverletzung abstellt oder verhindert. Persönliche, sachliche und räumliche Grenzen der Tragweite einer Verfügung. Keine allgemeine Überwachungspflicht
Normenkette
Richtlinie 2000/31/EG Art. 14 Abs. 1, Art. 3, 18 Abs. 1, Art. 15 Abs. 1
Beteiligte
Tenor
Die Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr”), insbesondere ihr Art. 15 Abs. 1, ist dahin auszulegen, dass sie es einem Gericht eines Mitgliedstaats nicht verwehrt,
- einem Hosting-Anbieter aufzugeben, die von ihm gespeicherten Informationen, die den wortgleichen Inhalt haben wie Informationen, die zuvor für rechtswidrig erklärt worden sind, zu entfernen oder den Zugang zu ihnen zu sperren, unabhängig davon, wer den Auftrag für die Speicherung der Informationen gegeben hat;
- einem Hosting-Anbieter aufzugeben, die von ihm gespeicherten Informationen, die einen sinngleichen Inhalt haben wie Informationen, die zuvor für rechtswidrig erklärt worden sind, zu entfernen oder den Zugang zu ihnen zu sperren, sofern die Überwachung und das Nachforschen der von einer solchen Verfügung betroffenen Informationen auf solche beschränkt sind, die eine Aussage vermitteln, deren Inhalt im Vergleich zu dem Inhalt, der zur Feststellung der Rechtswidrigkeit geführt hat, im Wesentlichen unverändert geblieben ist, und die die Einzelheiten umfassen, die in der Verfügung genau bezeichnet worden sind, und sofern die Unterschiede in der Formulierung dieses sinngleichen Inhalts im Vergleich zu der Formulierung, die die zuvor für rechtswidrig erklärte Information ausmacht, nicht so geartet sind, dass sie den Hosting-Anbieter zwingen, eine autonome Beurteilung dieses Inhalts vorzunehmen;
- einem Hosting-Anbieter aufzugeben, im Rahmen des einschlägigen internationalen Rechts weltweit die von der Verfügung betroffenen Informationen zu entfernen oder den Zugang zu ihnen zu sperren.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Obersten Gerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 25. Oktober 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 10. Januar 2018, in dem Verfahren
Eva Glawischnig-Piesczek
gegen
Facebook Ireland Limited
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Richter F. Biltgen, J. Malenovský (Berichterstatter) und C. G. Fernlund sowie der Richterin L. S. Rossi,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: D. Dittert, Referatsleiter,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. Februar 2019,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Frau Glawischnig-Piesczek, vertreten durch Rechtsanwälte M. Windhager und W. Niklfeld,
- der Facebook Ireland Limited, vertreten durch Rechtsanwälte G. Kresbach, K. Struckmann und A. Tauchen,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch G. Hesse, G. Kunnert und A. Jurgutyte-Ruez als Bevollmächtigte,
- der lettischen Regierung, vertreten durch I. Kucina, E. Petrocka-Petrovska und V. Soņeca als Bevollmächtigte,
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes und M. Figueiredo als Bevollmächtigte im Beistand von T. Rendas, Rechtsberater,
- der finnischen Regierung, vertreten durch J. Heliskoski als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Braun, F. Wilman, S. L. Kalėda und P. Costa de Oliveira als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 4. Juni 2019
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr”) (ABl. 2000, L 178, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Glawischnig-Piesczek und der Facebook Ireland Limited mit Sitz in Irland wegen der Veröffentlichung eines Beitrags, der ehrenbeleidigende Äußerungen in Bezug auf Frau Glawischnig-Piesczek enthält, auf der Seite eines Nutzers, die auf der Website des sozialen Netzwerks Facebook unterhalten wird.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 6, 7, 9, 10, 40, 41, 45 bis 48, 52, 58 und 60 der Richtlinie 2000/31 heißt es:
„(6) … Diese Richtlinie befasst sich nur mit bestimmten Fragen, die Probleme für das Funktionieren des Binnenmarktes aufwerfen, und wird damit in j...