Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Luftverkehr. Ausgleichsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen. Geltungsbereich. Befreiung von der Ausgleichspflicht. Begriff ‚außergewöhnliche Umstände’. Beschädigung des Reifens eines Flugzeugs durch einen Fremdkörper auf dem Rollfeld eines Flughafens

 

Normenkette

EGV Nr. 261/2004 Art. 5 Abs. 3

 

Beteiligte

Germanwings

Germanwings GmbH

Wolfgang Pauels

 

Tenor

Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 in Verbindung mit deren 14. Erwägungsgrund ist dahin auszulegen, dass die Beschädigung des Reifens eines Flugzeugs durch einen Fremdkörper, wie einen umherliegenden Gegenstand, auf dem Rollfeld eines Flughafens unter den Begriff „außergewöhnlicher Umstand” im Sinne dieser Bestimmung fällt.

Um sich von seiner Verpflichtung nach Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004, den Fluggästen Ausgleich zu leisten, zu befreien, hat das Luftfahrtunternehmen, dessen Flug aufgrund eines solchen „außergewöhnlichen Umstands” eine große Verspätung hat, jedoch nachzuweisen, dass es alle ihm zur Verfügung stehenden personellen, materiellen und finanziellen Mittel eingesetzt hat, um zu vermeiden, dass der Austausch des Reifens, der durch einen Fremdkörper, wie einen umherliegenden Gegenstand, auf dem Rollfeld eines Flughafens beschädigt wurde, nicht zu dieser großen Verspätung des betreffenden Fluges führt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landgericht Köln (Deutschland) mit Entscheidung vom 25. Juli 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 18. August 2017, in dem Verfahren

Germanwings GmbH

gegen

Wolfgang Pauels

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Vierten Kammer M. Vilaras in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer, sowie der Richter J. Malenovský, L. Bay Larsen, M. Safjan und D. Šváby (Berichterstatter),

Generalanwalt: E. Tanchev,

Kanzler: D. Dittert, Referatsleiter,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. September 2018,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Germanwings GmbH, vertreten durch die Rechtsanwälte W. Bloch und Y. Pochyla,
  • von Herrn Pauels, vertreten durch die Rechtsanwälte E. Stamer und M. Hofmann,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze, J. Möller, M. Hellmann, M. Kall, J. Techert und A. Berg als Bevollmächtigte,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch K. Simonsson, B. Bertelmann und K.-Ph. Wojcik als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 22. November 2018

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. 2004, L 46, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht in einem Rechtsstreit zwischen Herrn Wolfgang Pauels und dem Luftfahrtunternehmen Germanwings GmbH über dessen Weigerung, diesem von einer großen Flugverspätung betroffenen Fluggast einen Ausgleich zu leisten.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 3

Die Erwägungsgründe 14 und 15 der Verordnung Nr. 261/2004 lauten:

„(14) Wie nach dem Übereinkommen von Montreal sollten die Verpflichtungen für ausführende Luftfahrtunternehmen in den Fällen beschränkt oder ausgeschlossen sein, in denen ein Vorkommnis auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Solche Umstände können insbesondere bei politischer Instabilität, mit der Durchführung des betreffenden Fluges nicht zu vereinbarenden Wetterbedingungen, Sicherheitsrisiken, unerwarteten Flugsicherheitsmängeln und den Betrieb eines ausführenden Luftfahrtunternehmens beeinträchtigenden Streiks eintreten.

(15) Vom Vorliegen außergewöhnlicher Umstände sollte ausgegangen werden, wenn eine Entscheidung des Flugverkehrsmanagements zu einem einzelnen Flugzeug an einem bestimmten Tag zur Folge hat, dass es bei einem oder mehreren Flügen des betreffenden Flugzeugs zu einer großen Verspätung, einer Verspätung bis zum nächsten Tag oder zu einer Annullierung kommt, obgleich vom betreffenden Luftfahrtunternehmen alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen wurden, um die Verspätungen oder Annullierungen zu verhindern.”

Rz. 4

Art. 5 („Annullierung”) Abs. 1 und 3 dieser Verordnung bestimmt:

„(1) Bei Annullierun...

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