Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorabentscheidungsersuchen. Art. 81 Abs. 1 EG. Begriff ‚abgestimmte Verhaltensweise’. Kausalzusammenhang zwischen der Abstimmung und dem Marktverhalten der Unternehmen. Beurteilung anhand der Regeln des nationalen Rechts. Ausreichen einer einzigen Zusammenkunft oder Erfordernis einer länger andauernden und regelmäßigen Abstimmung
Beteiligte
Raad van bestuur van de Nederlandse Mededingingsautoriteit |
Tenor
1. Eine abgestimmte Verhaltensweise verfolgt einen wettbewerbswidrigen Zweck im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG, wenn sie aufgrund ihres Inhalts und Zwecks und unter Berücksichtigung ihres rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhangs konkret geeignet ist, zu einer Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes zu führen. Es ist weder erforderlich, dass der Wettbewerb tatsächlich verhindert, eingeschränkt oder verfälscht wurde, noch, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen diesem abgestimmten Verhalten und den Verbraucherpreisen besteht. Der Informationsaustausch zwischen Wettbewerbern verfolgt einen wettbewerbswidrigen Zweck, wenn er geeignet ist, Unsicherheiten hinsichtlich des von den betreffenden Unternehmen ins Auge gefassten Verhaltens auszuräumen.
2. Im Rahmen der Prüfung des Kausalzusammenhangs zwischen der Abstimmung und dem Marktverhalten der an ihr beteiligten Unternehmen, der Voraussetzung für die Feststellung einer abgestimmten Verhaltensweise im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG ist, muss der nationale Richter vorbehaltlich des den betreffenden Unternehmen obliegenden Gegenbeweises die in der Rechtsprechung des Gerichtshofs aufgestellte Kausalitätsvermutung anwenden, nach der diese Unternehmen, wenn sie weiterhin auf dem Markt tätig sind, die mit ihren Wettbewerbern ausgetauschten Informationen berücksichtigen.
3. Sofern das an der Abstimmung beteiligte Unternehmen auf dem betroffenen Markt tätig bleibt, gilt die Vermutung des Kausalzusammenhangs zwischen der Abstimmung und dem Verhalten des Unternehmens auf diesem Markt auch dann, wenn die Abstimmung auf einem einzigen Treffen der betroffenen Unternehmen beruht.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom College van Beroep voor het bedrijfsleven (Niederlande) mit Entscheidung vom 31. Dezember 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 9. Januar 2008, in dem Verfahren
T-Mobile Netherlands BV,
KPN Mobile NV,
Orange Nederland NV,
Vodafone Libertel NV
gegen
Raad van bestuur van de Nederlandse Mededingingsautoriteit
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter A. Ó Caoimh, J. N. Cunha Rodrigues, J. Klučka (Berichterstatter) und U. Lõhmus,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. Januar 2009,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der T-Mobile Netherlands BV, vertreten durch I. VerLoren van Themaat und V. H. Affourtit, advocaten,
- der KPN Mobile NV, vertreten durch B. J. H. Braeken und P. Glazener, advocaten,
- der Vodafone Libertel BV, vertreten durch G. van der Klis, advocaat,
- des Raad van bestuur van de Nederlandse Mededingingsautoriteit, vertreten durch A. Prompers als Bevollmächtigte,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels, Y. de Vries und M. de Grave als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A. Bouquet und S. Noë als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 19. Februar 2009
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 81 Abs. 1 EG.
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der T-Mobile Netherlands BV (im Folgenden: T-Mobile), der KPN Mobile NV (im Folgenden: KPN), der Orange Nederland NV (im Folgenden: Orange) und der Vodafone Libertel NV (im Folgenden: Vodafone) einerseits und dem Raad van bestuur van de Nederlandse Mededingingsautoriteit (niederländische Wettbewerbsbehörde, im Folgenden: NMa) andererseits über Geldbußen, die die NMa gegen diese Unternehmen wegen eines Verstoßes gegen Art. 81 EG und Art. 6 Abs. 1 des Gesetzes über den Wettbewerb (Mededingingswet) in seiner durch das Gesetz über die Änderung des Gesetzes über den Wettbewerb (Wet houdende wijziging van de Mededingingswet) vom 9. Dezember 2004 geänderten Fassung (im Folgenden: Mw) verhängt hat.
I – Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
Rz. 3
Der fünfte Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. L 1, S. 1), lautet:
„Um für die wirksame Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften der Gemeinschaft zu sorgen und zugleich die Achtung der grundlegenden Verteidigungsrechte zu gewährleisten, muss i...