Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge. Von einem Bieter, dessen Angebot nicht ausgewählt wurde, erhobene Klage auf Aufhebung einer Zuschlagsentscheidung. Anschlussklage des Zuschlagsempfängers. Zulässigkeit der Klage bei Begründetheit der Anschlussklage
Normenkette
Richtlinie 89/665/EWG
Beteiligte
Tenor
Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 3 und Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge in der durch die Richtlinie 2007/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er es verwehrt, die Klage eines Bieters, der ein Interesse an einem bestimmten Auftrag hat und dem durch einen behaupteten Verstoß gegen das Unionsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder gegen die Vorschriften zu dessen Umsetzung ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht, auf Ausschluss eines anderen Bieters gemäß den nationalen Verfahrensvorschriften oder der entsprechenden nationalen Rechtsprechung, die sich – ohne dass es auf die Zahl der Teilnehmer am Vergabeverfahren und die Zahl der Teilnehmer, die Klagen erhoben haben, ankäme – auf die Behandlung von wechselseitigen Ausschlussklagen beziehen, für unzulässig zu erklären.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) mit Entscheidung vom 14. Februar 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 23. Mai 2018, in dem Verfahren
Lombardi Srl
gegen
Comune di Auletta,
Delta Lavori SpA,
Msm Ingegneria Srl,
Beteiligte:
Robertazzi Costruzioni Srl,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Lycourgos sowie der Richter E. Juhász (Berichterstatter) und M. Ilešič,
Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Lombardi Srl, vertreten durch A. Brancaccio und A. La Gloria, avvocati,
- der Delta Lavori SpA, vertreten durch G. M. Di Paolo und P. Piselli, avvocati,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von D. Del Gaizo, avvocato dello Stato,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Gattinara, P. Ondrušek und L. Haasbeek als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 3 und Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge (ABl. 1989, L 395, S. 33) in der durch die Richtlinie 2007/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007 (ABl. 2007, L 335, S. 31) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 89/665).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Lombardi Srl auf der einen und der Comune di Auletta (Gemeinde Auletta, Italien), der Delta Lavori SpA und Msm Ingegneria auf der anderen Seite über die Vergabe eines öffentlichen Auftrags zur Planung und Durchführung von hydrogeologischen Arbeiten durch die Gemeinde Auletta.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
In Art. 1 „Anwendungsbereich und Zugang zu Nachprüfungsverfahren”) der Richtlinie 89/665 heißt es:
„(1) Diese Richtlinie gilt für Aufträge im Sinne der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge [ABl. 2004, L 134, S. 114], sofern diese Aufträge nicht gemäß den Artikeln 10 bis 18 der genannten Richtlinie ausgeschlossen sind.
Aufträge im Sinne der vorliegenden Richtlinie umfassen öffentliche Aufträge, Rahmenvereinbarungen, öffentliche Baukonzessionen und dynamische Beschaffungssysteme.
Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass hinsichtlich der in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/18/EG fallenden Aufträge die Entscheidungen der öffentlichen Auftraggeber wirksam und vor allem möglichst rasch nach Maßgabe der Artikel 2 bis 2f der vorliegenden Richtlinie auf Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder gegen die einzelstaatlichen Vorschriften, die dieses Recht umsetzen, nachgeprüft werden können.
…
(3) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Nachprüfungsverfahren entsprechend den gegebenenfalls von den Mitgliedstaaten festzulegenden Bedingungen zumindest jeder Person zur Verfügung st...