Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittel. Wirtschafts- und Währungsunion. Bankenunion. Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds. Abwicklungsverfahren. Voraussetzungen. Ausfall oder wahrscheinlicher Ausfall eines Unternehmens. Feststellung des Ausfalls oder wahrscheinlichen Ausfalls durch die Europäische Zentralbank (EZB). Vorbereitende Handlung. Nicht anfechtbare Handlung. Unzulässigkeit
Normenkette
Verordnung (EU) Nr. 806/2014 Art. 18
Beteiligte
Cassandra Holding Company SIA |
Europäische Zentralbank (EZB) |
Tenor
1. Die Rechtsmittel werden zurückgewiesen.
2. Der Antrag der Europäischen Kommission, in Rn. 34 der mit den Rechtsmitteln angefochtenen Beschlüsse des Gerichts der Europäischen Union vom 6. Mai 2019, ABLV Bank/EZB (T-281/18, EU:T:2019:296), und vom 6. Mai 2019, Bernis u. a./EZB (T-283/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:295), die Begründung zu ersetzen, wird als unzulässig zurückgewiesen.
3. In der Rechtssache C-551/19 P trägt die ABLV Bank AS die Kosten.
4. In der Rechtssache C-552/19 P tragen Ernests Bernis, Oļegs Fiļs, die OF Holding SIA und die Cassandra Holding Company SIA die Kosten.
5. Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten.
Tatbestand
In den verbundenen Rechtssachen
betreffend zwei Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 17. Juli 2019,
ABLV Bank AS mit Sitz in Riga (Lettland) (C-551/19 P)
und
Ernests Bernis, wohnhaft in Jurmala (Lettland),
Oļegs Fiļs, wohnhaft in Jurmala,
OF Holding SIA mit Sitz in Riga (Lettland),
Cassandra Holding Company SIA mit Sitz in Jurmala (C-552/19 P),
Prozessbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwälte O. Behrends und M. Kirchner, dann Rechtsanwalt O. Behrends,
Rechtsmittelführer,
andere Parteien des Verfahrens:
Europäische Zentralbank (EZB), zunächst vertreten durch E. Koupepidou und G. Marafioti als Bevollmächtigte im Beistand von J. Rodríguez Cárcamo, abogado, dann durch E. Koupepidou, G. Marafioti und R. Ugena als Bevollmächtigte,
Beklagte im ersten Rechtszug,
unterstützt durch:
Europäische Kommission, zunächst vertreten durch D. Triantafyllou, A. Nijenhuis, K.-P. Wojcik und A. Steiblyte, dann durch D. Triantafyllou, A. Nijenhuis und A. Steiblyte als Bevollmächtigte,
Streithelferin in den Rechtsmittelverfahren,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal, des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Dritten Kammer, der Richter N. Wahl (Berichterstatter) und F. Biltgen sowie der Richterin L. S. Rossi,
Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,
Kanzler: M. Longar, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 22. Oktober 2020,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. Januar 2021
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihren Rechtsmitteln begehren die ABLV Bank AS einerseits sowie Herr Ernests Bernis, Herr Oļegs Fiļs, die OF Holding SIA und die Cassandra Holding Company SIA andererseits die Aufhebung der Beschlüsse des Gerichts der Europäischen Union vom 6. Mai 2019, ABLV Bank/EZB (T-281/18, EU:T:2019:296) (Rechtssache C-551/19 P) bzw. Bernis u. a./EZB (T-283/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:295) (Rechtssache C-552/19 P) (im Folgenden: angefochtene Beschlüsse), mit denen ihre Klagen auf Nichtigerklärung der Handlungen der Europäischen Zentralbank (EZB) vom 23. Februar 2018, mit denen bei der ABLV Bank und ihrer Tochtergesellschaft, der ABLV Bank Luxembourg SA, ein Ausfall oder wahrscheinlicher Ausfall im Sinne von Art. 18 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 (ABl. 2014, L 225, S. 1) festgestellt wurde (im Folgenden: streitige Handlungen), als unzulässig abgewiesen wurden.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 2
In den Erwägungsgründen 8, 11, 24 und 26 der Verordnung Nr. 806/2014 heißt es:
„(8) Effizientere Abwicklungsmechanismen sind ein unentbehrliches Instrument zur Verhütung von Schäden, die durch Ausfälle von Banken in der Vergangenheit verursacht wurden.
…
(11) Für teilnehmende Mitgliedstaaten wird im Zusammenhang mit dem einheitlichen Abwicklungsmechanismus eine zentrale Abwicklungsbefugnis auf den gemäß dieser Verordnung eingerichteten Ausschuss für die einheitliche Abwicklung [SRB] und auf die nationalen Abwicklungsbehörden übertragen. …
…
(24) Da nur Organe der Union die Abwicklungspolitik der Union festlegen dürfen und da bei der Festlegung jedes spezifischen Abwicklungskonzepts ein Ermessensspielraum verbleibt, ist es notwendig, für...