Entscheidungsstichwort (Thema)
Richtlinie 2001/83/EG. Humanarzneimittel. Art. 1 Nr. 2 Buchst. b. Begriff ‚Funktionsarzneimittel’. Definition des Begriffs ‚pharmakologische Wirkung’
Beteiligte
Chemische Fabrik Kreussler |
Chemische Fabrik Kreussler & Co. GmbH |
Tenor
1. Art. 1 Nr. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in der durch die Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass zur Definition des Begriffs „pharmakologische Wirkung” im Sinne dieser Bestimmung die Definition dieses Begriffs in der von den Dienststellen der Kommission in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten erstellten Leitlinie zur Abgrenzung der Richtlinie 76/768 über kosmetische Mittel von der Richtlinie 2001/83 über Arzneimittel berücksichtigt werden kann.
2. Art. 1 Nr. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83 in der durch die Richtlinie 2004/27 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass vom Vorliegen einer „pharmakologischen Wirkung” einer Substanz im Sinne dieser Bestimmung nicht nur dann ausgegangen werden kann, wenn es zu einer Wechselwirkung zwischen den Molekülen dieser Substanz und einem zellulären Bestandteil des Körpers des Anwenders kommt, sondern dass eine Wechselwirkung zwischen dieser Substanz und einem beliebigen im Körper des Anwenders vorhandenen zellulären Bestandteil genügt.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Deutschland) mit Entscheidung vom 14. Juni 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Juni 2011, in dem Verfahren
Chemische Fabrik Kreussler & Co. GmbH
gegen
Sunstar Deutschland GmbH, vormals John O. Butler GmbH,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Safjan sowie der Richter A. Borg Barthet (Berichterstatter) und M. Ilešič,
Generalanwalt: N. Jääskinen,
Kanzler: A. Impellizzeri, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 26. April 2012,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Chemischen Fabrik Kreussler & Co. GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt U. Grundmann,
- der Sunstar Deutschland GmbH, vertreten durch die Rechtsanwälte C. Krüger und M. Runge,
- der belgischen Regierung, vertreten durch T. Materne als Bevollmächtigten,
- der tschechischen Regierung, vertreten durch D. Hadroušek als Bevollmächtigten,
- der polnischen Regierung, vertreten durch M. Szpunar als Bevollmächtigten,
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes und P. A. Antunes als Bevollmächtigte,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch H. Walker als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Šimerdová und B.-R. Killmann als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Nr. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311, S. 67) in der durch die Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 (ABl. L 136, S. 34) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2001/83).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Chemischen Fabrik Kreussler & Co. GmbH (im Folgenden: Chemische Fabrik Kreussler) und der Sunstar Deutschland GmbH, vormals John O. Butler GmbH (im Folgenden: John O. Butler), wegen der Einstufung einer in Deutschland vertriebenen Mundspüllösung namens „PAROEX 0,12 %”.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 2001/83
Rz. 3
Nach Art. 1 Nr. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83 sind „Arzneimittel”
„alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die im oder am menschlichen Körper verwendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen”.
Richtlinie 76/768/EWG
Rz. 4
Nach Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 76/768/EWG des Rates vom 27. Juli 1976 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über kosmetische Mittel (ABl. L 262, S. 169) in der durch die Richtlinie 2005/42/EG der Kommission vom 20. Juni 2005 (ABl. L 158, S. 17) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 76/768) sind „kosmetische Mittel”
„Stoffe oder Zubereitungen, die dazu bestimmt sind, äußerlich mit den verschiedenen Teilen des menschlichen Körpers (Haut, Behaarungssystem, Nägel, Lippen und intime Regionen) oder mit den Zähnen und den Schleimhäuten der Mundhöhle in Berührung zu kommen, und zwar zu dem aus...