Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Freier Kapitalverkehr. Geltungsbereich. Nationale Regelung, nach der Zahlungen, die einen bestimmten Betrag überschreiten, ausschließlich durch Überweisung oder durch Einlage auf einem Zahlungskonto getätigt werden müssen. Rechtfertigung. Bekämpfung von Steuerhinterziehung und -umgehung. Verhältnismäßigkeit. Verwaltungssanktionen mit strafrechtlichem Charakter. Grundsätze der Gesetzmäßigkeit und der Verhältnismäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen”

 

Normenkette

AEUV Art. 63, 65; Richtlinie (EU) 2015/849; Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 49

 

Beteiligte

ECOTEX BULGARIA

„ECOTEX BULGARIA” EOOD

Teritorialna direktsia na Natsionalnata agentsia za prihodite – Sofia

 

Tenor

1. Eine Regelung eines Mitgliedstaats, die es natürlichen und juristischen Personen untersagt, im Inland eine Zahlung, die einen festgelegten Schwellenwert erreicht oder überschreitet, als Barzahlung zu leisten, und von ihnen verlangt, dass sie eine Überweisung oder Einzahlung auf ein Zahlungskonto tätigen, fällt nicht in den Geltungsbereich der Richtlinie (EU) 2015/849 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinie 2006/70/EG der Kommission.

2. Art. 63 AEUV in Verbindung mit Art. 49 Abs. 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegensteht, die es im Hinblick auf die Bekämpfung von Steuerhinterziehung und -umgehung zum einen natürlichen und juristischen Personen untersagt, im Inland eine Barzahlung zu leisten, deren Höhe einen festgelegten Schwellenwert erreicht oder überschreitet, und hierfür die Überweisung oder Einzahlung auf ein Zahlungskonto verlangt, auch wenn es sich um die Ausschüttung der Dividenden einer Gesellschaft handelt, und die zum anderen zur Ahndung einer Zuwiderhandlung gegen dieses Verbot ein Sanktionssystem einführt, in dem die Höhe der Geldbuße, die verhängt werden darf, auf der Grundlage eines festen Prozentsatzes vom Gesamtbetrag der unter Verstoß gegen dieses Verbot getätigten Zahlung berechnet wird, ohne dass diese Geldbuße je nach den konkreten Umständen des Einzelfalls differenziert werden kann, sofern diese Regelung geeignet ist, die Verwirklichung dieser Ziele zu gewährleisten, und nicht über das zu deren Erreichung Erforderliche hinausgeht.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Administrativen sad Blagoevgrad (Verwaltungsgericht Blagoevgrad, Bulgarien) mit Entscheidung vom 5. Juli 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 17. Juli 2019, in dem Verfahren

„ECOTEX BULGARIA” EOOD

gegen

Teritorialna direktsia na Natsionalnata agentsia za prihodite – Sofia,

Beteiligter:

Prokuror ot Okrazhna prokuratura – Blagoevgrad,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, des Richters L. Bay Larsen, der Richterin C. Toader sowie der Richter M. Safjan und N. Jääskinen (Berichterstatter),

Generalanwalt: J. Richard de la Tour,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der bulgarischen Regierung, vertreten durch L. Zaharieva und E. Petranova als Bevollmächtigte,
  • der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, O. Serdula und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
  • der spanischen Regierung, vertreten durch S. Jiménez García als Bevollmächtigten,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von F. Meloncelli, avvocato dello Stato,
  • der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér und R. Kissné Berta als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch H. Tserepa-Lacombe, Y. Marinova und T. Scharf als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 18. November 2020

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 63 AEUV, von Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2015/849 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinie 2006/70/EG der Kommission (ABl. 2015, L 141, S. 73), gelesen im Licht des sechsten Erwägungsgrundes und in Verbindung mit den Art. 4 und 5 dieser Richtlinie, sowie von Art. 58 Abs. 1 und Art. 60 Abs. 4 dieser Richtlinie, gelesen im Licht von Art. 47 und Art. 49 Abs. 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).

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