Entscheidungsstichwort (Thema)
Staatliche Beihilfen. Zuschüsse an ein Seeschifffahrtsunternehmen, das Gemeinwohlverpflichtungen übernimmt. Nationales Gesetz, das die Möglichkeit vorsieht, vor Genehmigung einer Vereinbarung Abschlagszahlungen zu gewähren
Beteiligte
Fallimento Traghetti del Mediterraneo |
Fallimento Traghetti del Mediterraneo SpA in liquidazione |
Presidenza del Consiglio dei Ministri |
Tenor
Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass Zuschüsse, die unter den das Ausgangsverfahren kennzeichnenden Umständen aufgrund nationaler Rechtsvorschriften gezahlt werden, die vor der Genehmigung einer Vereinbarung Abschlagszahlungen vorsehen, staatliche Beihilfen darstellen, wenn diese Zuschüsse geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, und den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen; dies zu prüfen ist Sache des nationalen Gerichts.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Tribunale di Genova (Italien) mit Entscheidung vom 27. Februar 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 17. April 2009, in dem Verfahren
Fallimento Traghetti del Mediterraneo SpA in liquidazione
gegen
Presidenza del Consiglio dei Ministri
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, der Richterin C. Toader sowie der Richter K. Schiemann, P. Kūris (Berichterstatter) und L. Bay Larsen,
Generalanwalt: N. Jääskinen,
Kanzler: M.-A. Gaudissart, Referatsleiter,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. Februar 2010,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Fallimento Traghetti del Mediterraneo SpA in liquidazione, vertreten durch V. Roppo, P. Canepa und S. Sardano, avvocati,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von G. De Bellis, avvocato dello Stato,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch V. Di Bucci und E. Righini als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Unionsrechts über staatliche Beihilfen.
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Traghetti del Mediterraneo SpA, einem derzeit in Liquidation befindlichen Seeschifffahrtsunternehmen (im Folgenden: TDM), und der Italienischen Republik wegen Ersatzes des Schadens, den TDM dadurch erlitten zu haben behauptet, dass die Corte suprema di cassazione (Kassationsgerichtshof) die Rechtsvorschriften der Union über Wettbewerb und staatliche Beihilfen falsch ausgelegt und es abgelehnt habe, dem Gerichtshof die einschlägigen Fragen gemäß Art. 234 Abs. 3 EG vorzulegen.
Nationales Recht
Rz. 3
Die im Ausgangsverfahren fraglichen Zuschüsse wurden der Tirrenia di Navigazione SpA (im Folgenden: Tirrenia), einem mit TDM im Wettbewerb stehenden Schifffahrtsunternehmen, gemäß dem Gesetz Nr. 684 vom 20. Dezember 1974 über die Umstrukturierung von Schifffahrtsunternehmen von herausragender nationaler Bedeutung (GURI Nr. 336 vom 24. Dezember 1974, im Folgenden: Gesetz Nr. 684), insbesondere dessen Art. 19, gewährt.
Rz. 4
Art. 7 des Gesetzes Nr. 684 lautet:
„Der Minister für die Handelsmarine kann im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen und dem Minister für die staatlichen Beteiligungen durch entsprechende jährliche Vereinbarung Zuschüsse für die Erbringung der im vorstehenden Artikel genannten Dienstleistungen gewähren.
Durch die Zuschüsse gemäß Abs. 1 ist innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren ein wirtschaftlich ausgeglichener Betrieb der Dienste zu gewährleisten; vorläufig sind die Zuschüsse auf der Grundlage der Nettoerträge, der Abschreibungen auf das Anlagevermögen, der Kosten des laufenden Betriebs, der Verwaltungskosten sowie der Finanzierungskosten zu veranschlagen.
…”
Rz. 5
Art. 8 des Gesetzes Nr. 684 bestimmt:
„Die Fährverbindungen zu den größeren und kleineren Inseln gemäß Art. 1 Buchst. c sowie die möglichen technisch oder wirtschaftlich erforderlichen Verlängerungen müssen die Erfüllung der mit der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der betroffenen Regionen und insbesondere des Mezzogiorno verbundenen Anforderungen gewährleisten.
Der Minister der Handelsmarine kann daher im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen und dem Minister für die staatlichen Beteiligungen durch entsprechende Vereinbarung Zuschüsse mit einer Laufzeit von 20 Jahren gewähren.”
Rz. 6
Art. 9 des Gesetzes Nr. 684 lautet:
„In der Vereinbarung gemäß vorstehendem Artikel sind anzugeben:
- die Liste der zu gewährleistenden Verbindungen,
- die Häufigkeit jeder Verbindung,
- die jeder Verbindung zuzuteilenden Schiffstypen,
- der Zuschuss, der auf der Grundlage der Nettoerträge, der Abschreibungen auf das Anlagevermögen, der Kosten des laufenden Betriebs, der Verwaltungskosten und der Finanzierungskosten festzusetzen ist.
Spätestens zum 30. Juni jeden Jahres wird der Zuschuss für das laufende Jahr angepas...