Entscheidungsstichwort (Thema)
Binnenmarkt für Elektrizität. Nationale Regelung, die die Erhebung eines Tarifaufschlags für die Übertragung von Elektrizität zugunsten eines durch Gesetz bezeichneten Unternehmens zulässt, das zur Bestreitung von verlorenen Kosten verpflichtet ist. Abgaben zollgleicher Wirkung. Diskriminierende einzelstaatliche Abgaben. Von den Mitgliedstaaten gewährte Beihilfen
Beteiligte
Nederlands Elektriciteit Administratiekantoor BV |
Tenor
1. Art. 25 EG ist dahin auszulegen, dass er einer gesetzlichen Maßnahme entgegensteht, nach der inländische Elektrizitätskunden ihrem Netzbetreiber einen Tarifaufschlag für die für ihren Bedarf übertragene Menge an im Mitgliedstaat erzeugter und eingeführter Elektrizität schulden, wenn der Aufschlag vom Netzbetreiber an eine dafür vom Gesetzgeber bezeichnete Gesellschaft, die ein gemeinsames Tochterunternehmen der vier inländischen Elektrizitätserzeuger ist und zuvor die Kosten sämtlicher erzeugter und eingeführter Elektrizität verwaltet hat, abgeführt und vollständig für die Bestreitung nicht marktkonformer Kosten verwendet werden muss, für die diese Gesellschaft persönlich haftet, was zur Folge hat, dass die von dieser Gesellschaft erhobenen Beträge die auf der übertragenen inländischen Elektrizität ruhende Belastung in vollem Umfang ausgleichen.
Das Gleiche gilt, wenn die inländischen Elektrizitätserzeugungsunternehmen zur Tragung dieser Kosten verpflichtet sind und der sich aus dem Tarifaufschlag ergebende Vorteil durch Zahlung eines Abnahmepreises für in dem Mitgliedstaat erzeugte Elektrizität, durch Zahlung von Dividenden an die verschiedenen nationalen Elektrizitätserzeugungsunternehmen, deren Tochtergesellschaft die bezeichnete Gesellschaft ist, oder in anderer Weise von der bezeichneten Gesellschaft vollständig an die nationalen Elektrizitätserzeugungsunternehmen weitergegeben werden konnte.
Art. 90 EG ist dahin auszulegen, dass er derselben gesetzlichen Maßnahme dann entgegensteht, wenn das Aufkommen aus der Abgabe auf übertragene Elektrizität nur teilweise für die Bestreitung nicht marktkonformer Kosten verwendet wird, d. h., wenn der von der bezeichneten Gesellschaft erhobene Betrag nur einen Teil der auf der übertragenen inländischen Elektrizität ruhenden Belastung ausgleicht.
2. Art. 87 EG ist dahin auszulegen, dass die nach Art. 9 des Übergangsgesetzes für den Sektor der Elektrizitätserzeugung (Overgangswet Elektriciteitsproductiesector) vom 21. Dezember 2000 an die bezeichnete Gesellschaft gezahlten Beträge eine staatliche Beihilfe im Sinne dieser Bestimmung des EG-Vertrags sind, soweit sie einen wirtschaftlichen Vorteil und nicht einen Ausgleich darstellen, der die Gegenleistung für Leistungen bildet, die von der bezeichneten Gesellschaft zur Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen erbracht werden.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht von der Rechtbank Groningen (Niederlande) mit Entscheidung vom 19. April 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 2. Mai 2006, in dem Verfahren
Essent Netwerk Noord BV,
unterstützt durch
Nederlands Elektriciteit Administratiekantoor BV,
gegen
Aluminium Delfzijl BV
und im Verfahren zur Rechtswahrung
Aluminium Delfzijl BV
gegen
Staat der Nederlanden
und im Verfahren zur Rechtswahrung
Essent Netwerk Noord BV
gegen
Nederlands Elektriciteit Administratiekantoor BV,
Saranne BV
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas (Berichterstatter) sowie der Richter U. Lõhmus, J. N. Cunha Rodrigues, A. Ó Caoimh und A. Arabadjiev,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 10. Mai 2007,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Essent Netwerk BV, seit 1. Januar 2005 Gesamtrechtsnachfolgerin der Essent Netwerk Noord BV, vertreten durch P. E. Mazel und M. E. Hamminga, advocaten,
- der Aluminium Delfzijl BV, vertreten durch A. J. van den Berg und M. Van Leeuwen, advocaten,
- der Nederlands Elektriciteit Administratiekantoor BV, vertreten durch J. K. de Pree und Y. de Vries, advocaten,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch H. G. Sevenster, P. P. J. van Ginneken und D. J. M. de Grave als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal und H. van Vliet als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 24. Januar 2008
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 25 EG, Art. 87 Abs. 1 EG und Art. 90 EG.
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Essent Netwerk Noord BV (im Folgenden: Essent Netwerk), einer Stromnetzbetreiberin, und der Aluminium Delfzijl BV (im Folgenden: Aldel), einer Abnehmerin von Elektrizität und Empfängerin von Übertragungsdienstleistungen, über...