Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Verbraucherschutz. Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen. Auf eine Fremdwährung lautender Darlehensvertrag. Berücksichtigung aller anderen Klauseln des Vertrags für die Beurteilung der Missbräuchlichkeit der angefochtenen Klausel. Prüfung der Missbräuchlichkeit der Vertragsklauseln durch das nationale Gericht von Amts wegen. Umfang

 

Normenkette

Richtlinie 93/13/EWG Art. 4 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1

 

Beteiligte

Lintner

Györgyné Lintner

UniCredit Bank Hungary Zrt

 

Tenor

1. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ist dahin auszulegen, dass ein nationales Gericht, das über die Klage eines Verbrauchers auf Feststellung der Missbräuchlichkeit bestimmter Klauseln in einem Vertrag zu entscheiden hat, den dieser Verbraucher mit einem Gewerbetreibenden geschlossen hat, nicht verpflichtet ist, alle anderen Vertragsklauseln, die von diesem Verbraucher nicht angefochten worden sind, von Amts wegen gesondert darauf zu prüfen, ob sie als missbräuchlich angesehen werden können, sondern nur diejenigen Klauseln prüfen muss, die mit dem Streitgegenstand zusammenhängen, wie er von den Parteien abgegrenzt wurde, sobald es über die hierfür erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen, gegebenenfalls ergänzt durch Untersuchungsmaßnahmen, verfügt.

2. Art. 4 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 sind dahin auszulegen, dass zwar für die Beurteilung der Missbräuchlichkeit der Vertragsklausel, die als Grundlage für die Ansprüche eines Verbrauchers dient, alle anderen Klauseln des Vertrags zwischen einem Gewerbetreibenden und diesem Verbraucher berücksichtigt werden müssen, diese Berücksichtigung jedoch als solche für das mit der Sache befasste nationale Gericht keine Pflicht beinhaltet, von Amts wegen alle diese Klauseln auf ihre etwaige Missbräuchlichkeit zu prüfen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Fővárosi Törvényszék (Hauptstädtisches Stuhlgericht, Ungarn) mit Entscheidung vom 18. Juli 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 21. August 2017, in dem Verfahren

Györgyné Lintner

gegen

UniCredit Bank Hungary Zrt.

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal (Berichterstatterin), des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Dritten Kammer, der Richterin L. S. Rossi sowie der Richter J. Malenovský und F. Biltgen,

Generalanwalt: E. Tanchev,

Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. September 2019,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der UniCredit Bank Hungary Zrt., vertreten durch Z. Lajer, Á. Szőke, und J. Pettkó-Szandtner, ügyvédek,
  • der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Havas und N. Ruiz García als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 19. Dezember 2019

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L 95, S. 29).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Györgyné Lintner und der UniCredit Bank Hungary Zrt. (im Folgenden: UniCredit Bank) über die Missbräuchlichkeit bestimmter Klauseln in einem auf eine Fremdwährung lautenden Hypothekendarlehensvertrag.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Der 21. Erwägungsgrund der Richtlinie 93/13 lautet:

„Die Mitgliedstaaten müssen sicherstellen, dass in von einem Gewerbetreibenden mit Verbrauchern abgeschlossenen Verträgen keine missbräuchlichen Klauseln verwendet werden. Wenn derartige Klauseln trotzdem verwendet werden, müssen sie für den Verbraucher unverbindlich sein; die verbleibenden Klauseln müssen jedoch weiterhin gelten und der Vertrag im Übrigen auf der Grundlage dieser Klauseln für beide Teile verbindlich sein, sofern ein solches Fortbestehen ohne die missbräuchlichen Klauseln möglich ist.”

Rz. 4

Art. 4 Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:

„Die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel wird unbeschadet des Artikels 7 unter Berücksichtigung der Art der Güter oder Dienstleistungen, die Gegenstand des Vertrages sind, aller den Vertragsabschluss begleitenden Umstände sowie aller anderen Klauseln desselben Vertrages oder eines anderen Vertrages, von dem die Klausel abhängt, zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses beurteilt.”

Rz. 5

Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind, und legen die Bedingungen hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften fest; sie sehen ferner vor, dass der Vertrag für beide Part...

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