Entscheidungsstichwort (Thema)

Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung von Entscheidungen. Vollstreckung in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung. Verordnung (EG) Nr. 2201/2003. Antrag auf Nichtanerkennung einer Entscheidung, mit der die Rückgabe eines in einem anderen Mitgliedstaat widerrechtlich zurückgehaltenen Kindes angeordnet wird. Eilvorlageverfahren

 

Beteiligte

Rinau

Inga Rinau

 

Tenor

1. Sobald eine Entscheidung, mit der die Rückgabe des Kindes verweigert wird, ergangen und dem Gericht des Ursprungsmitgliedstaats zur Kenntnis gebracht worden ist, ist es für die Ausstellung der in Art. 42 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 vorgesehenen Bescheinigung ohne Bedeutung, ob diese Entscheidung ausgesetzt, abgeändert, aufgehoben oder jedenfalls nicht rechtskräftig geworden oder durch eine Entscheidung, mit der die Rückgabe des Kindes angeordnet wird, ersetzt worden ist, sofern das Kind nicht tatsächlich zurückgegeben worden ist. Da kein Zweifel an der Echtheit der betreffenden Bescheinigung geäußert und diese anhand des Formblatts erstellt wurde, dessen Muster sich in Anhang IV der Verordnung findet, ist die Anfechtung der Entscheidung, mit der die Rückgabe des Kindes angeordnet wird, unzulässig, und es steht dem ersuchten Gericht lediglich zu, die Vollstreckbarkeit der Entscheidung festzustellen, für die eine Bescheinigung ausgestellt wurde, und die sofortige Rückgabe des Kindes zu veranlassen.

2. Abgesehen von den Fällen, in denen das Verfahren eine Entscheidung betrifft, für die gemäß Art. 11 Abs. 8 und den Art. 40 bis 42 der Verordnung Nr. 2201/2003 eine Bescheinigung ausgestellt wurde, kann eine Partei, die ein Interesse hat, im Sinne von Art. 21 der Verordnung die Nichtanerkennung einer gerichtlichen Entscheidung beantragen, selbst wenn zuvor kein Antrag auf Anerkennung dieser Entscheidung gestellt wurde.

3. Soweit Art. 31 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2201/2003 vorsieht, dass weder die Person, gegen die die Vollstreckung erwirkt werden soll, noch das Kind in diesem Stadium des Verfahrens Gelegenheit erhalten, eine Erklärung abzugeben, ist er nicht auf ein Verfahren betreffend die Nichtanerkennung einer gerichtlichen Entscheidung anwendbar, das angestrengt wird, ohne dass zuvor ein Antrag auf Anerkennung in Bezug auf dieselbe Entscheidung gestellt wurde. In einem solchen Fall kann der Antragsgegner, der die Anerkennung begehrt, eine Erklärung abgeben.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Lietuvos Aukščiausiasis Teismas (Litauen) mit Entscheidung vom 30. April 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 14. Mai 2008, in dem Verfahren auf Antrag von

Inga Rinau

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas, der Richter J. N. Cunha Rodrigues (Berichterstatter) und J. Klučka, der Richterin P. Lindh sowie des Richters A. Arabadjiev,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin, und M. A. Gaudissart, Referatsleiter,

aufgrund des Antrags des vorlegenden Gerichts vom 21. Mai 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Mai 2008, das Vorabentscheidungsersuchen gemäß Art. 104b der Verfahrensordnung einem Eilverfahren zu unterwerfen,

aufgrund des Beschlusses der Dritten Kammer vom 23. Mai 2008, diesem Antrag stattzugeben,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 26. und 27. Juni 2008,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Frau Rinau, vertreten durch G. Balčiūnas und G. Kaminskas, advokatai,
  • von Herrn Rinau, vertreten durch D. Foigt, advokatė,
  • der litauischen Regierung, vertreten durch D. Kriaučiūnas und R. Mackevičienė als Bevollmächtigte,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch J. Kemper als Bevollmächtigte,
  • der französischen Regierung, vertreten durch A.-L. During als Bevollmächtigte,
  • der lettischen Regierung, vertreten durch E. Balode-Buraka und E. Eihmane als Bevollmächtigte,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch C. ten Dam als Bevollmächtigte,
  • der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch E. Jenkinson als Bevollmächtigte im Beistand von C. Howard, QC,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A.-M. Rouchaud-Joët und A. Steiblytė als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Generalanwältin

folgendes

 

Entscheidungsgründe

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (ABl. L 338, S. 1, im Folgenden: Verordnung).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rah...

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