Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittel. Beamte. Übertragung von Ruhegehaltsansprüchen. Berufstätigkeit vor dem Eintritt in den Dienst der Gemeinschaften. Berechnung der ruhegehaltsfähigen Dienstjahre. Art. 11 Abs. 2 des Anhangs VIII des Statuts. Allgemeine Durchführungsbestimmungen. Diskriminierungsverbot. Gleichbehandlungsgrundsatz
Beteiligte
Rat der Europäischen Union |
Tenor
1. Das Urteil des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 18. März 2004, Lindorfer/Rat (T-204/01), wird aufgehoben, soweit mit ihm die Klage von Frau Lindorfer mit der Begründung abgewiesen worden ist, es liege keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts vor.
2. Die Entscheidung des Rates der Europäischen Union vom 3. November 2000 über die Berechnung der ruhegehaltsfähigen Dienstjahre von Frau Lindorfer wird aufgehoben.
3. Im Übrigen wird das Rechtsmittel zurückgewiesen.
4. Der Rat der Europäischen Union trägt die Kosten beider Rechtszüge.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs, eingelegt am 28. Mai 2004,
Maria-Luise Lindorfer, Beamtin des Rates der Europäischen Union, wohnhaft in Brüssel (Belgien), Prozessbevollmächtigte: G. Vandersanden und L. Levi, avocats,
Rechtsmittelführerin,
anderer Verfahrensbeteiligter:
Rat der Europäischen Union, vertreten durch F. Anton und M. Sims-Robertson als Bevollmächtigte,
Beklagter im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, A. Rosas, R. Schintgen, E. Juhász (Berichterstatter) und J. Klučka, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter K. Schiemann, M. Ilešič, J. Malenovský, U. Lõhmus, E. Levits und A. Ó Caoimh,
Generalanwälte: F. G. Jacobs, dann E. Sharpston,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts F. G. Jacobs in der Sitzung vom 27. Oktober 2005,
auf den Beschluss vom 26. April 2006 über die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung und auf die mündliche Verhandlung vom 28. Juni 2006,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin E. Sharpston in der Sitzung vom 30. November 2006
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1 Frau Lindorfer beantragt mit ihrem Rechtsmittel die Aufhebung des Urteils des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 18. März 2004, Lindorfer/Rat (T-204/01, Slg. ÖD 2004, I-A-83 und II-361, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht ihre Klage auf Aufhebung der Entscheidung des Rates der Europäischen Union vom 3. November 2000 über die Berechnung ihrer Dienstjahre, die infolge der Übertragung des pauschalen Rückkaufwerts der von ihr im österreichischen System erworbenen Ruhegehaltsansprüche auf das Gemeinschaftssystem ruhegehaltsfähig sind (im Folgenden: streitige Entscheidung), abgewiesen hat.
Rechtlicher Rahmen
2 Art. 1a Abs. 1 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (im Folgenden: Statut), der durch die Verordnung (EG, EGKS, Euratom) Nr. 781/98 vom 7. April 1998 (ABl. L 113, S. 4) in das Statut eingefügt wurde, bestimmt:
„Unbeschadet der einschlägigen Statutsbestimmungen, die einen bestimmten Personenstand voraussetzen, haben die Beamten in den Fällen, in denen das Statut Anwendung findet, Recht auf Gleichbehandlung ohne unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund der Rasse, ihrer politischen, philosophischen und religiösen Überzeugung, ihres Geschlechts und ihrer sexuellen Orientierung.”
3 Art. 77 des Statuts sieht vor:
„Der Beamte hat nach Ableistung von mindestens zehn Dienstjahren Anspruch auf ein Ruhegehalt. …
Das Ruhegehalt beträgt höchstens 70 v. H. des letzten Grundgehalts in der letzten Besoldungsgruppe, in der der Beamte mindestens ein Jahr war. Es steht dem Beamten nach 35 ruhegehaltsfähigen Dienstjahren zu, die gemäß Anhang VIII Artikel 3 berechnet werden. Bei weniger als 35 ruhegehaltsfähigen Dienstjahren wird das Höchstruhegehalt anteilig gekürzt.
…
Der Anspruch auf Ruhegehalt wird mit Vollendung des sechzigsten Lebensjahrs erworben.”
4 Art. 83 des Statuts lautet:
„Die Versorgungsleistungen werden aus dem Haushalt der Gemeinschaften gezahlt. Die Mitgliedstaaten gewährleisten die Zahlung dieser Leistungen gemeinsam nach dem für die Finanzierung dieser Ausgaben festgelegten Aufbringungsschlüssel.
…
- Die Beamten tragen zu einem Drittel zur Finanzierung [der gemeinschaftlichen] Versorgung bei. …
- …
- Ergibt eine versicherungsmathematische Bewertung des Versorgungssystems, die auf Veranlassung des Rates von einem oder mehreren sachverständigen Gutachtern durchgeführt wird, dass der Beitrag der Beamten nicht ausreicht, ein Drittel der vorgesehenen Versorgungsleistungen zu finanzieren, so beschließen die für die Feststellung des Haushaltsplans zuständigen Organe unter Einhaltung des Verfahrens für die Feststellung des Haushaltsplans und nach Stellungnahme des Statutsbeirats (Artikel 10), welche Änderungen der Beitragssätze oder d...