Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist. Stellung mehrerer Anträge auf internationalen Schutz in drei Mitgliedstaaten. Überstellungsfrist. Ablauf. Übergang der Zuständigkeit für die Prüfung des Antrags. Rechtsmittel. Umfang der gerichtlichen Kontrolle. Möglichkeit für den Antragsteller, sich auf den Übergang der Zuständigkeit für die Prüfung des Antrags zu berufen

 

Normenkette

Verordnung (EU) Nr. 604/2013 Art. 29, 27

 

Beteiligte

Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid

Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid

K

B

F

Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid

 

Tenor

1. Die Rechtssachen C-323/21, C-324/21 und C-325/21 werden zu gemeinsamem Urteil verbunden.

2. Die Art. 23 und 29 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist,

sind dahin auszulegen, dass,

wenn eine Frist für die Überstellung eines Drittstaatsangehörigen zwischen einem ersuchten Mitgliedstaat und einem ersten ersuchenden Mitgliedstaat zu laufen begonnen hat, die Zuständigkeit für die Prüfung des von dieser Person gestellten Antrags auf internationalen Schutz wegen des Ablaufs dieser Frist auf diesen ersuchenden Mitgliedstaat übergeht, auch wenn diese Person in der Zwischenzeit in einem dritten Mitgliedstaat einen neuen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der zur Annahme eines von diesem dritten Mitgliedstaat gestellten Wiederaufnahmegesuchs durch den ersuchten Mitgliedstaat geführt hat, sofern diese Zuständigkeit nicht wegen des Ablaufs einer der in diesem Art. 23 vorgesehenen Fristen auf diesen dritten Mitgliedstaat übergegangen ist.

Nach einem solchen Übergang der Zuständigkeit kann der Mitgliedstaat, in dem sich diese Person befindet, diese nicht in einen anderen Mitgliedstaat als den nunmehr zuständigen Mitgliedstaat überstellen. Er kann aber unter Beachtung der in Art. 23 Abs. 2 dieser Verordnung vorgesehenen Fristen ein Wiederaufnahmegesuch an diesen letztgenannten Mitgliedstaat richten.

3. Art. 27 Abs. 1 der Verordnung Nr. 604/2013, gelesen im Licht des 19. Erwägungsgrundes dieser Verordnung, sowie Art. 47 der Charta der Grundrechte sind dahin auszulegen, dass ein Drittstaatsangehöriger, der nacheinander in drei Mitgliedstaaten einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, im dritten dieser Mitgliedstaaten über einen wirksamen und schnellen Rechtsbehelf verfügen können muss, der ihm ermöglicht, sich darauf zu berufen, dass die Zuständigkeit für die Prüfung seines Antrags auf internationalen Schutz wegen des Ablaufs der in Art. 29 Abs. 1 und 2 dieser Verordnung vorgesehenen Überstellungsfrist auf den zweiten dieser Mitgliedstaaten übergegangen ist.

 

Tatbestand

In den verbundenen Rechtssachen

betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Raad van State (Staatsrat, Niederlande) mit Entscheidungen vom 19. Mai 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 25. Mai 2021, in den Verfahren

Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid

gegen

B (C-323/21),

F (C-324/21)

und

K

gegen

Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid (C-325/21)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, des Vizepräsidenten des Gerichtshofs L. Bay Larsen (Berichterstatter) sowie der Richter P. G. Xuereb und A. Kumin und der Richterin I. Ziemele,

Generalanwalt: J. Richard de la Tour,

Kanzler: V. Giacobbo, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 5. Mai 2022,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von B, vertreten durch P. J. J. A. Hendriks, Advocaat,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch M. K. Bulterman, H. S. Gijzen und A. Hanje als Bevollmächtigte,
  • der französischen Regierung, vertreten durch A.-L. Desjonquères und J. Illouz als Bevollmächtigte,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von D. G. Pintus, Avvocato dello Stato,
  • der Schweizer Regierung, vertreten durch S. Lauper und N. Marville-Dosen als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Cattabriga und S. Noë als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 8. September 2022

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 27 Abs. 1 und Art. 29 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. 2013, L 180, S. 31, im Folgenden: Dublin-III-...

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