Entscheidungsstichwort (Thema)

Geistiges Eigentum. Gemeinschaftsmarke. Verordnung (EG) Nr. 40/94. Art. 98 Abs. 1. Von einem Gemeinschaftsmarkengericht ausgesprochenes Verbot von Verletzungshandlungen. Territoriale Reichweite. Ein solches Verbot begleitende Zwangsmaßnahmen. Wirkung im Hoheitsgebiet anderer Mitgliedstaaten als desjenigen, dem das befasste Gericht angehört

 

Beteiligte

DHL Express

DHL Express France SAS, vormals DHL International SA

Chronopost SA

 

Tenor

1. Art. 98 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke in der durch die Verordnung (EG) Nr. 3288/94 des Rates vom 22. Dezember 1994 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass sich die Reichweite des von einem Gemeinschaftsmarkengericht, dessen Zuständigkeit auf den Art. 93 Abs. 1 bis 4 und 94 Abs. 1 dieser Verordnung beruht, ausgesprochenen Verbots, Handlungen, die eine Gemeinschaftsmarke verletzen oder zu verletzen drohen, fortzusetzen, grundsätzlich auf das gesamte Gebiet der Union erstreckt.

2. Art. 98 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 40/94 in der durch die Verordnung Nr. 3288/94 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass eine Zwangsmaßnahme – wie ein Zwangsgeld –, die ein Gemeinschaftsmarkengericht nach Maßgabe seines innerstaatlichen Rechts anordnet, um sicherzustellen, dass ein von ihm ausgesprochenes Verbot der Fortsetzung von Handlungen, die eine Gemeinschaftsmarke verletzen oder zu verletzen drohen, befolgt wird, unter den in Kapitel III betreffend die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vorgesehenen Bedingungen über den Staat hinaus, dem das Gericht angehört, in anderen Mitgliedstaaten, auf die sich die territoriale Reichweite eines solchen Verbots erstreckt, Wirkungen entfaltet. Sieht das innerstaatliche Recht eines dieser anderen Mitgliedstaaten keine Zwangsmaßnahme vor, die der von dem Gemeinschaftsmarkengericht angeordneten ähnlich ist, ist das mit dieser Maßnahme verfolgte Ziel vom zuständigen Gericht dieses Mitgliedstaats zu erreichen, indem es die einschlägigen Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts dieses Staates, die die Befolgung dieses Verbots in gleichwertiger Weise zu gewährleisten vermögen, heranzieht.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht von der Cour de cassation (Frankreich) mit Entscheidung vom 23. Juni 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 29. Juni 2009, in dem Verfahren

DHL Express France SAS, vormals DHL International SA,

gegen

Chronopost SA

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten A. Tizzano, J. N. Cunha Rodrigues, K. Lenaerts, J.-C. Bonichot, K. Schiemann, J.-J. Kasel und D. Šváby sowie der Richterin R. Silva de Lapuerta, der Richter E. Juhász, U. Lõhmus (Berichterstatter), der Richterin C. Toader und des Richters M. Safjan,

Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

Kanzler: N. Nanchev, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 30. Juni 2010,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Chronopost SA, vertreten durch A. Cléry, avocat,
  • der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues, B. Cabouat und B. Beaupère-Manokha als Bevollmächtigte,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und J. Kemper als Bevollmächtigte,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels als Bevollmächtigte,
  • der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Hathaway als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch H. Krämer als Bevollmächtigten,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 7. Oktober 2010

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 98 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 3288/94 des Rates vom 22. Dezember 1994 (ABl. L 349, S. 83) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 40/94).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der DHL Express France SAS (im Folgenden: DHL Express France) als Rechtsnachfolgerin der DHL International SA (im Folgenden: DHL International) und der Chronopost SA (im Folgenden: Chronopost) über die Benutzung der Gemeinschaftsmarke und französischen Marke WEBSHIPPING, deren Inhaberin Chronopost ist, durch DHL Express France, das Verbot dieser Benutzung und die dieses Verbot begleitenden Zwangsmaßnahmen.

Rechtlicher Rahmen

Die Verordnung Nr. 40/94

Rz. 3

In den Erwägungsgründen 2, 15 und 16 der Verordnung Nr. 40/94 heißt es:

„Für die Verwirklichung der oben erwähnten Ziele der Gemeinschaft ist ein Tätigwerden der Gemeinschaft erforderlich. Es ist ein Markensystem der Gemeinschaft zu schaffen, das den Unternehmen e...

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