Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit. Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Nationale Regelung, nach der Frauen, die eine bestimmte Anzahl von Kindern bekommen haben, eine Rentenzulage wegen Mutterschaft gewährt wird. Ausschluss von Frauen, die einen vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand beantragt haben, von der Gewährung dieser Rentenzulage. Anwendungsbereich der Richtlinie 79/7/EWG
Normenkette
Richtlinie 79/7/EWG Art. 4 Abs. 1
Beteiligte
Instituto Nacional de la Seguridad Social (INSS) |
Tenor
Die Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit findet keine Anwendung auf eine nationale Regelung, die für Frauen, die mindestens zwei leibliche oder adoptierte Kinder hatten, bei Eintritt in den Ruhestand im gesetzlich vorgesehenen Alter oder bei Eintritt in den vorzeitigen Ruhestand aus bestimmten gesetzlich vorgesehenen Gründen, nicht aber bei freiwilligem vorzeitigem Eintritt in den Ruhestand, eine Rentenzulage wegen Mutterschaft vorsieht.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Juzgado de lo Social n 3 de Barcelona (Arbeits- und Sozialgericht Nr. 3 Barcelona, Spanien) mit Entscheidung vom 4. März 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 9. März 2020, in dem Verfahren
YJ
gegen
Instituto Nacional de la Seguridad Social (INSS)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen, der Richterin C. Toader und des Richters M. Safjan (Berichterstatter),
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von YJ, vertreten durch L. Ripoll Sans, abogada,
- des Instituto Nacional de la Seguridad Social (INSS), vertreten durch A. R. Trillo García und P. García Perea als Bevollmächtigte,
- der spanischen Regierung, vertreten durch M. J. Ruiz Sánchez als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Valero und I. Galindo Martín als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit (ABl. 1979, L 6, S. 24).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen YJ und dem Instituto Nacional de la Seguridad Social (Nationales Institut für soziale Sicherheit, Spanien) (im Folgenden: INSS) wegen dessen Weigerung, YJ im Rahmen ihrer vorzeitigen Altersrente eine Mutterschaftszulage zu gewähren.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 1 und 2 der Richtlinie 79/7 lauten:
„In Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen [ABl. 1976, L 39, S. 40] ist vorgesehen, dass der Rat [der Europäischen Gemeinschaften] im Hinblick auf die schrittweise Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung im Bereich der sozialen Sicherheit auf Vorschlag der Kommission [der Europäischen Gemeinschaften] Bestimmungen erlässt, in denen dazu insbesondere der Inhalt, die Tragweite und die Anwendungsmodalitäten angegeben sind. Im [EWG-]Vertrag sind die besonderen, hierfür erforderlichen Befugnisse nicht vorgesehen.
Es ist angezeigt, den Grundsatz der Gleichbehandlung im Bereich der sozialen Sicherheit in erster Linie bei den gesetzlichen Systemen, die Schutz gegen die Risiken Krankheit, Invalidität, Alter, Arbeitsunfall, Berufskrankheit und Arbeitslosigkeit bieten, sowie bei den Sozialhilferegelungen, soweit sie die vorgenannten Systeme ergänzen oder ersetzen sollen, zu verwirklichen.”
Rz. 4
Art. 1 dieser Richtlinie bestimmt:
„Diese Richtlinie hat zum Ziel, dass auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit und der sonstigen Bestandteile der sozialen Sicherung im Sinne von Artikel 3 der Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit – im Folgenden ‚Grundsatz der Gleichbehandlung’ genannt – schrittweise verwirklicht wird.”
Rz. 5
In Art. 4 der Richtlinie heißt es:
„(1) Der Grundsatz der Gleichbehandlung beinhaltet den Fortfall jeglicher unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand, und zwar im Besonderen betreffend:
- den Anwendungsbereich der Systeme und die Bedingungen für den Zugang zu den Systemen,
- die Beitragspflicht und die Berechnung der Beiträge,
- die Berechnung der Leistungen, einsc...