Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Geistiges und gewerbliches Eigentum. Urheberrecht und verwandte Schutzrechte. Begriff ‚Werk’. Urheberrechtlicher Schutz von Werken. Voraussetzungen. Zusammenhang mit dem Schutz von Mustern und Modellen. Bekleidungsmodelle
Normenkette
Richtlinie 2001/29/EG Art. 2 Buchst. a; EGV 6/2002; Richtlinie 98/71/EG
Beteiligte
Cofemel – Sociedade de Vestuário SA |
Tenor
Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Vorschrift entgegensteht, nach der Modelle wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Bekleidungsmodelle urheberrechtlich geschützt sind, weil sie über ihren Gebrauchszweck hinaus einen eigenen, ästhetisch markanten visuellen Effekt hervorrufen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Supremo Tribunal de Justiça (Oberster Gerichtshof, Portugal) mit Entscheidung vom 21. November 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 6. Dezember 2017, in dem Verfahren
Cofemel – Sociedade de Vestuário SA
gegen
G-Star Raw CV
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Richter F. Biltgen, J. Malenovský (Berichterstatter) und C. G. Fernlund sowie der Richterin L. S. Rossi,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. Dezember 2018,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Cofemel – Sociedade de Vestuário SA, vertreten durch I. Bairrão und J. P. de Oliveira Vaz Miranda de Sousa, advogados,
- der G-Star Raw CV, vertreten durch A. Grosso Alves und G. Paiva e Sousa, advogados,
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes, M. Figueiredo und P. Salvação Barreto als Bevollmächtigte,
- der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von F. De Luca, avvocato dello Stato,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Brandon und Z. Lavery als Bevollmächtigte im Beistand von J. Moss, Barrister,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Samnadda, B. Rechena und F. Wilman als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 2. Mai 2019
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. 2001, L 167, S. 10).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Cofemel – Sociedade de Vestuário SA (im Folgenden: Cofemel) und der G-Star Raw CV (im Folgenden: G-Star) wegen der Einhaltung des von G-Star eingeforderten Urheberrechts.
Rechtlicher Rahmen
Völkerrecht
Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst
Rz. 3
Art. 2 der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (Pariser Akte vom 24. Juli 1971) in der am 28. September 1979 geänderten Fassung (im Folgenden: Berner Übereinkunft) bestimmt in seinem Abs. 7:
„[D]er Gesetzgebung der [Länder des durch diese Übereinkunft eingerichteten Verbands bleibt] vorbehalten, den Anwendungsbereich der Gesetze, die die Werke der angewandten Kunst und die gewerblichen Muster und Modelle betreffen, sowie die Voraussetzungen des Schutzes dieser Werke, Muster und Modelle festzulegen. Für Werke, die im Ursprungsland nur als Muster und Modelle geschützt werden, kann in einem anderen [Land des durch diese Übereinkunft eingerichteten Verbands] nur der besondere Schutz beansprucht werden, der in diesem Land den Mustern und Modellen gewährt wird; wird jedoch in diesem Land kein solcher besonderer Schutz gewährt, so sind diese Werke als Werke der Kunst zu schützen.”
WIPO-Urheberrechtsvertrag
Rz. 4
Die Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) nahm am 20. Dezember 1996 in Genf den WIPO-Urheberrechtsvertrag an, der mit Beschluss 2000/278/EG des Rates vom 16. März 2000 (ABl. 2000, L 89, S. 6) im Namen der Gemeinschaft genehmigt wurde.
Rz. 5
Art. 1 („Verhältnis zur Berner Übereinkunft”) Abs. 4 dieses Vertrags lautet:
„Die Vertragsparteien kommen den Artikeln 1 bis 21 und dem Anhang der Berner Übereinkunft nach.”
Unionsrecht
Richtlinie 2001/29
Rz. 6
Im 60. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/29 heißt es:
„Der durch diese Richtlinie gewährte Schutz sollte die nationalen und gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften in anderen Bereichen wie gewerbliches Eigentum … unberührt lassen.”
Rz. 7
Nach den Art. 2 („Vervielfältigungsrecht”), 3 („Recht der öffentlichen Wiedergabe von Werken und Recht der öffentlichen Zugänglichmac...