Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsatz des gerichtlichen Rechtsschutzes. Nationale Rechtsvorschriften, die keinen eigenständigen Rechtsbehelf vorsehen, mit dem der Verstoß einer nationalen Bestimmung gegen das Gemeinschaftsrecht gerügt werden kann. Verfahrensautonomie. Grundsätze der Gleichwertigkeit und der Effektivität. Vorläufiger Rechtsschutz
Beteiligte
Unibet (International) Ltd |
Tenor
1. Der Grundsatz effektiven gerichtlichen Schutzes der den Einzelnen durch das Gemeinschaftsrecht verliehenen Rechte ist dahin auszulegen, dass er nicht verlangt, dass es in der Rechtsordnung eines Mitgliedstaats einen eigenständigen Rechtsbehelf gibt, der mit dem Hauptantrag auf die Prüfung der Vereinbarkeit nationaler Vorschriften mit Art. 49 EG gerichtet ist, wenn andere Rechtsbehelfe, die nicht weniger günstig ausgestaltet sind als entsprechende nationale Klagen, die Prüfung dieser Vereinbarkeit als Vorfrage ermöglichen; es ist Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob dies der Fall ist.
2. Der Grundsatz effektiven gerichtlichen Schutzes der den Einzelnen durch das Gemeinschaftsrecht verliehenen Rechte ist dahin auszulegen, dass er verlangt, dass die Rechtsordnung eines Mitgliedstaats die Möglichkeit vorsieht, vorläufige Maßnahmen zu treffen, bis das zuständige Gericht über die Vereinbarkeit nationaler Bestimmungen mit dem Gemeinschaftsrecht entschieden hat, wenn der Erlass solcher Maßnahmen erforderlich ist, um die volle Wirksamkeit der späteren Gerichtsentscheidung über das Bestehen der betreffenden Rechte sicherzustellen.
3. Der Grundsatz effektiven gerichtlichen Schutzes der den Einzelnen durch das Gemeinschaftsrecht verliehenen Rechte ist dahin auszulegen, dass bei Zweifeln an der Vereinbarkeit nationaler Bestimmungen mit dem Gemeinschaftsrecht für den Erlass vorläufiger Maßnahmen zur Aussetzung der Anwendung nationaler Bestimmungen, bis das zuständige Gericht über deren Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht entschieden hat, die durch das vom zuständigen Gericht anzuwendende nationale Recht festgelegten Kriterien gelten, sofern diese Kriterien weder weniger günstig ausgestaltet sind als die für entsprechende innerstaatliche Klagen noch die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Högsta domstol (Schweden) mit Entscheidung vom 24. November 2005, beim Gerichtshof eingegangen am 5. Dezember 2005, in dem Verfahren
Unibet (London) Ltd,
Unibet (International) Ltd
gegen
Justitiekansler
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans, A. Rosas, K. Lenaerts (Berichterstatter), R. Schintgen, P. Kūris und E. Juhász sowie der Richter J. Makarczyk, G. Arestis, U. Lõhmus, E. Levits, A. Ó Caoimh und L. Bay Larsen,
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: J. Swedenborg, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 3. Oktober 2006,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Unibet (London) Ltd und der Unibet (International) Ltd, vertreten durch H. Bergman und O. Wiklund, advokater,
- der schwedischen Regierung, vertreten durch K. Wistrand als Bevollmächtigte,
- der belgischen Regierung, vertreten durch A. Hubert im Beistand von S. Verhulst und P. Vlaemminck, advocaten,
- der tschechischen Regierung, vertreten durch T. Boček als Bevollmächtigten,
- der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und A. Dittrich als Bevollmächtigte,
- der griechischen Regierung, vertreten durch A. Samoni-Rantou und K. Boskovits als Bevollmächtigte,
- der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von F. Sclafani, avvocato dello Stato,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch H. G. Sevenster und C. ten Dam als Bevollmächtigte,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch H. Dossi als Bevollmächtigten,
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Fernandes und J. de Oliveira als Bevollmächtigte,
- der finnischen Regierung, vertreten durch E. Bygglin als Bevollmächtigte,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch C. White, dann durch Z. Bryanston-Cross, als Bevollmächtigte im Beistand von T. Ward, Barrister,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch E. Traversa und K. Simonsson als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 30. November 2006
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Grundsatzes des effektiven gerichtlichen Schutzes der den Einzelnen durch das Gemeinschaftsrecht verliehenen Rechte.
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Unibet (London) Ltd und der Unibet (International) Ltd (im Folgenden zusammen: Unibet) auf der einen und dem Justitiekansler auf der anderen Seite über die Anwendung d...