Entscheidungsstichwort (Thema)
Unionsbürgerschaft. Art. 18 und 21 AEUV. Richtlinie 2004/38/EG. Art. 24 Abs. 1. Aufenthaltsfreiheit. Diskriminierungsverbot. Zugang zum Hochschulunterricht. Studierende aus einem Mitgliedstaat, die sich in einen anderen Mitgliedstaat begeben, um dort eine Ausbildung zu absolvieren. Kontingentierung der Einschreibung von nichtansässigen Studierenden für Studiengänge an Universitäten im Bereich des Gesundheitswesens. Rechtfertigung. Verhältnismäßigkeit. Gefahr für die Qualität des Unterrichts in den medizinischen und paramedizinischen Fächern. Gefahr eines Mangels an Absolventen in den Berufssektoren des Gesundheitswesens
Beteiligte
Bressol u.a. et Chaverot u.a |
Gouvernement de la Communauté française |
Tenor
1. Die Art. 18 und 21 AEUV stehen einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren streitigen entgegen, die die Zahl der als nicht in Belgien ansässig angesehenen Studierenden, die sich zum ersten Mal für einen medizinischen oder paramedizinischen Studiengang an einer Hochschuleinrichtung einschreiben können, beschränkt, es sei denn, das vorlegende Gericht stellt nach Würdigung aller von den zuständigen Stellen angeführten relevanten Gesichtspunkte fest, dass diese Regelung im Hinblick auf das Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt ist.
2. Die zuständigen Stellen können sich nicht auf Art. 13 Abs. 2 Buchst. c des von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 16. Dezember 1966 angenommenen und am 3. Januar 1976 in Kraft getretenen Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte berufen, wenn das vorlegende Gericht feststellt, dass das Dekret der Französischen Gemeinschaft vom 16. Juni 2006 zur Regelung der Studierendenzahl in bestimmten Studiengängen des ersten Zyklus des Hochschulunterrichts nicht mit den Art. 18 und 21 AEUV vereinbar ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Verfassungsgerichtshof (Belgien) mit Entscheidung vom 14. Februar 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Februar 2008, in dem Verfahren
Nicolas Bressol u. a.,
Céline Chaverot u. a.
gegen
Gouvernement de la Communauté française
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten J. N. Cunha Rodrigues, K. Lenaerts und J.-C. Bonichot, der Kammerpräsidentinnen R. Silva de Lapuerta und C. Toader sowie der Richter C. W. A. Timmermans, A. Rosas, K. Schiemann, J. Malenovský (Berichterstatter), T. von Danwitz, A. Arabadjiev und J.-J. Kasel,
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: M.-A. Gaudissart, Referatsleiter,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 3. März 2009,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Kläger Bressol u. a., vertreten durch M. Snoeck und J. Troeder, avocats,
- der Kläger Chaverot u. a., vertreten durch J. Troeder und M. Mareschal, avocats,
- der belgischen Regierung, vertreten durch L. Van den Broeck als Bevollmächtigte im Beistand von M. Nihoul, avocat,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch E. Riedl als Bevollmächtigten,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch C. Cattabriga und G. Rozet als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 25. Juni 2009
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 12 Abs. 1 EG und 18 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 149 Abs. 1 und 2 EG und Art. 150 Abs. 2 EG.
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen den Klägern Bressol u. a. und Chaverot u. a. einerseits und jeweils der Regierung der Französischen Gemeinschaft andererseits über die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des Dekrets der Französischen Gemeinschaft vom 16. Juni 2006 zur Regelung der Studierendenzahl in bestimmten Studiengängen des ersten Zyklus des Hochschulunterrichts (Moniteur belge vom 6. Juli 2006, S. 34055, im Folgenden: Dekret vom 16. Juni 2006).
Rechtlicher Rahmen
Völkerrecht
Rz. 3
Art. 2 Abs. 2 des von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 16. Dezember 1966 angenommenen und am 3. Januar 1976 in Kraft getretenen Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (im Folgenden: Pakt) lautet:
„Die Vertragsstaaten verpflichten sich, zu gewährleisten, dass die in diesem Pakt verkündeten Rechte ohne Diskriminierung hinsichtlich … der nationalen … Herkunft … ausgeübt werden.”
Rz. 4
In Art. 13 Abs. 2 Buchst. c des Paktes heißt es:
„Die Vertragsstaaten erkennen an, dass im Hinblick auf die volle Verwirklichung [des Rechts eines jeden auf Bildung]”
…
c) der Hochschulunterricht auf jede geeignete Weise, insbesondere durch allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit, jedermann gleichermaßen entsprechend seinen Fähigkeiten zugänglich gemacht werden muss;
…”
Unionsrecht
Rz. 5
In den Erwägungsgründen 1, 3 und 20 der nach den Art. 12 Abs. 2 EG, 18 Abs. 2 EG, 40 EG, 44 EG und 52 ...