Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Eisenbahnsicherheit. Kein Erlass der Vorschriften, die erforderlich sind, um die Unabhängigkeit der Untersuchungsstelle zu gewährleisten

 

Normenkette

Richtlinie 2004/49/EG

 

Beteiligte

Kommission/Polen

Europäische Kommission

Republik Polen

 

Tenor

1. Die Republik Polen hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 21 Abs. 1 der Richtlinie 2004/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Eisenbahnsicherheit in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 95/18/EG des Rates über die Erteilung von Genehmigungen an Eisenbahnunternehmen und der Richtlinie 2001/14/EG über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn, die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur und die Sicherheitsbescheinigung (Richtlinie über die Eisenbahnsicherheit) verstoßen, dass sie nicht die Maßnahmen ergriffen hat, die erforderlich sind, um zu gewährleisten, dass die Untersuchungsstelle organisatorisch und in ihren Entscheidungen von dem Eisenbahnunternehmen und dem Fahrwegbetreiber unabhängig ist, die vom für Verkehrsangelegenheiten zuständigen Minister kontrolliert werden.

2. Die Republik Polen trägt die Kosten.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 18. Oktober 2016,

Europäische Kommission, vertreten durch W. Mölls und J. Hottiaux als Bevollmächtigte,

Klägerin,

gegen

Republik Polen, vertreten durch B. Majczyna und K. Majcher als Bevollmächtigte im Beistand von T. Warchoł, ekspert,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz, des Vizepräsidenten A. Tizzano in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Vierten Kammer, des Richters C. Vajda, der Richterin K. Jürimäe und des Richters C. Lycourgos (Berichterstatter),

Generalanwalt: M. Bobek,

Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 26. Oktober 2017,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 23. Januar 2018

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission beim Gerichtshof, festzustellen, dass die Republik Polen dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 16 Abs. 1 und Art. 21 Abs. 1 der Richtlinie 2004/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Eisenbahnsicherheit in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 95/18/EG des Rates über die Erteilung von Genehmigungen an Eisenbahnunternehmen und der Richtlinie 2001/14/EG über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn, die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur und die Sicherheitsbescheinigung (Richtlinie über die Eisenbahnsicherheit) (ABl. 2004, L 164, S. 44, berichtigt in ABl. 2004, L 220, S. 16) verstoßen hat, dass

  • sie nicht die Maßnahmen ergriffen hat, die erforderlich sind, um zu gewährleisten, dass die Sicherheitsbehörde von Eisenbahnunternehmen, Fahrwegbetreibern, Antragstellern und Beschaffungsstellen unabhängig ist, und
  • sie nicht die Maßnahmen ergriffen hat, die erforderlich sind, um zu gewährleisten, dass die Untersuchungsstelle von Eisenbahnunternehmen und Fahrwegbetreibern unabhängig ist.

Rz. 2

In ihrer Erwiderung hat die Kommission jedoch die Rüge, es werde gegen Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2004/49 verstoßen, weil die Sicherheitsbehörde nicht unabhängig sei, mit der Begründung zurückgenommen, die Republik Polen habe ihr am 1. Dezember 2016 den Text der Ustawa o zmianie ustawy o transporcie kolejowym oraz niektórych innych ustaw) (Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Eisenbahnverkehr und bestimmter anderer Gesetze) vom 16. November 2016 (Dz. U. 2016, Position 1923) übermittelt. Mit diesem Gesetz werde die genannte Richtlinienbestimmung korrekt umgesetzt.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Der 24. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/49 lautet:

„Eine Sicherheitsuntersuchung sollte unabhängig von der gerichtlichen Untersuchung ein und desselben Ereignisses durchgeführt werden, wobei Zugang zu Beweismaterial und Zeugen gewährt werden sollte. Sie sollte von einer ständigen Stelle durchgeführt werden, die von den Akteuren des Eisenbahnsektors unabhängig ist. Die Funktionsweise dieser Stelle sollte dergestalt sein, dass jeglicher Interessenskonflikt und jede mögliche Verwicklung in die Ursachen der untersuchten Ereignisse vermieden wird; insbesondere darf es keine negativen Auswirkungen auf ihre funktionelle Unabhängigkeit geben, wenn in organisatorischer und rechtlicher Hinsicht eine enge Beziehung zu der für den Eisenbahnsektor zuständigen nationalen Sicherheitsbehörde oder Regulierungsstelle besteht. Ihre Untersuchungen sollten mit größtmöglicher Offenheit durchgeführt werden. Die Untersuchungsstelle sollte für jedes Ereignis ein zuständiges Untersuchungsteam zusammenstellen, das für die Ermittlung von Auslösern und Ursachen des Ereignisses die nötige Sachkenntnis besitzt.”

Rz. 4

Art. 3 dies...

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