Entscheidungsstichwort (Thema)
Öffentliche Aufträge. Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge. Dienstleistungskonzession. Betrieb gebührenpflichtiger öffentlicher Parkplätze
Beteiligte
Tenor
1. Bei der Vergabe des Betriebs eines gebührenpflichtigen öffentlichen Parkplatzes durch eine öffentliche Stelle an einen Dienstleistungserbringer, der als Entgelt für diese Tätigkeit die von Dritten für die Benutzung dieses Parkplatzes entrichteten Beträge erhält, handelt es sich um eine öffentliche Dienstleistungskonzession, auf die die Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge nicht anwendbar ist.
2. Die Artikel 43 EG und 49 EG sowie die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Nichtdiskriminierung und der Transparenz sind dahin auszulegen, dass sie es einer öffentlichen Stelle verbieten, eine öffentliche Dienstleistungskonzession ohne Ausschreibung an eine Aktiengesellschaft zu vergeben, die durch Umwandlung eines Sonderbetriebs dieser öffentlichen Stelle entstanden ist, deren Gesellschaftszweck auf bedeutende neue Bereiche ausgeweitet wurde, deren Kapital bald für Fremdkapital offen stehen muss, deren geografischer Tätigkeitsbereich auf das gesamte Land und das Ausland ausgedehnt wurde und deren Verwaltungsrat sehr weitgehende Vollmachten der Verwaltung innehat, die er selbständig ausüben kann.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Verwaltungsgericht, Autonome Sektion für die Provinz Bozen (Italien) mit Entscheidung vom 23. Juli 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 30. Oktober 2003, in dem Verfahren
Parking Brixen GmbH
gegen
Gemeinde Brixen und
Stadtwerke Brixen AG
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter K. Schiemann, J. N. Cunha Rodrigues (Berichterstatter), K. Lenaerts und E. Juhász,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: M.-F. Contet, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. Januar 2005,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Parking Brixen GmbH, vertreten durch die Rechtsanwälte K. Zeller und S. Thurin,
- der Gemeinde Brixen, vertreten durch Rechtsanwalt N. De Nigro,
- der Stadtwerke Brixen AG, vertreten durch Rechtsanwalt A. Mulser,
- der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von G. Fiengo, avvocato dello Stato,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels als Bevollmächtigte,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch M. Fruhmann als Bevollmächtigten,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch K. Wiedner als Bevollmächtigten,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 1. März 2005
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge (ABl. L 209, S. 1), der Artikel 43 EG, 49 EG und 86 EG sowie der Grundsätze der Nichtdiskriminierung, der Transparenz und der Gleichbehandlung.
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits der Parking Brixen GmbH (im Folgenden: Parking Brixen) gegen die Gemeinde Brixen und die Stadtwerke Brixen AG wegen der Vergabe des Betriebs zweier auf dem Gebiet dieser Gemeinde gelegener Parkplätze an die Letztgenannte.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3 Artikel 43 EG bestimmt:
„Die Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten. …
Vorbehaltlich des Kapitels über den Kapitalverkehr umfasst die Niederlassungsfreiheit die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen, insbesondere von Gesellschaften im Sinne des Artikels 48 Absatz 2, nach den Bestimmungen des Aufnahmestaats für seine eigenen Angehörigen.”
4 Artikel 49 Absatz 1 EG sieht vor:
„Die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten.”
5 In der achten Begründungserwägung der Richtlinie 92/50 heißt es:
„Die Erbringung von Dienstleistungen fällt nur insoweit unter diese Richtlinie, wie sie aufgrund von Aufträgen erfolgt. Andere Grundlagen für die Dienstleistung, wie Gesetz oder Verordnungen oder Arbeitsverträge, werden nicht erfasst.”
6 Artikel 1 dieser Richtlinie bestimmt:
„Im Sinne dieser Richtlinie
- gelten als ‚öffentliche Dienstleistungsaufträge’ die zwischen einem Dienstleistungserbringer und einem öffentlichen Auftraggeber geschlossenen schriftlichen entgeltlichen Verträge …
- gelten als ‚öffentliche Auft...