Entscheidungsstichwort (Thema)
„Rechtsmittel. EGKS-Vertrag. Kartelle. Legierungszuschlag. Herabsetzung der Geldbuße. Zusammenarbeit während des Verwaltungsverfahrens. Zurechenbarkeit der Zuwiderhandlung. Verteidigungsrechte”
Beteiligte
ThyssenKrupp Stainless (früher Krupp Thyssen Stainless) / Kommission |
Kommission der Europäischen Gemeinschaften |
ThyssenKrupp Stainless GmbH |
ThyssenKrupp Acciai speciali Terni SpA |
Tenor
- Die Rechtsmittel und das Anschlussrechtsmittel werden zurückgewiesen.
- Die ThyssenKrupp Stainless GmbH, die ThyssenKrupp Acciai speciali Terni SpA und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften tragen jeweils ihre eigenen Kosten.
Tatbestand
In den verbundenen Rechtssachen C-65/02 P und C-73/02 P
betreffend zwei Rechtsmittel nach Artikel 49 der EGKS-Satzung des Gerichtshofes, eingereicht am 28. Februar 2002,
ThyssenKrupp Stainless GmbH, früher Krupp Thyssen Stainless GmbH, Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt M. Klusmann,
Rechtsmittelführerin in der Rechtssache C-65/02 P,
ThyssenKrupp Acciai speciali Terni SpA, früher Acciai speciali Terni SpA, Prozessbevollmächtigte: A. Giardina und G. Di Tommaso, avvocati, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Rechtsmittelführerin in der Rechtssache C-73/02 P,
anderer Verfahrensbeteiligter:
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A. Whelan als Bevollmächtigten im Beistand von Rechtsanwalt H.-J. Freund (C-65/02 P) sowie A. Whelan und V. Superti als Bevollmächtigte im Beistand von A. Dal Ferro, avvocato (C-73/02 P), Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann, des Richters A. Rosas, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter K. Lenaerts und S. von Bahr (Berichterstatter),
Generalanwalt: P. Léger,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 28. Oktober 2004
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1 Mit ihren Rechtsmitteln beantragen die ThyssenKrupp Stainless GmbH (im Folgenden: TKS) und die ThyssenKrupp Acciai speciali Terni SpA (im Folgenden: AST) die Aufhebung des Urteils des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 13. Dezember 2001 in den Rechtssachen T-45/98 und T-47/98 (Krupp Thyssen Stainless und Acciai speciali Terni/Kommission, Slg. 2001, II-3757, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht ihren Klagen auf Nichtigerklärung der Entscheidung 98/247/EGKS der Kommission vom 21. Januar 1998 in einem Verfahren nach Artikel 65 EGKS-Vertrag (Sache IV/35.814 – Legierungszuschlag) (ABl. L 100, S. 55, im Folgenden: streitige Entscheidung) nur teilweise stattgegeben hatte.
Vorgeschichte des Rechtsstreits
2 Der den Klagen vor dem Gericht zugrunde liegende Sachverhalt, wie er von diesem in dem angefochtenen Urteil wiedergegeben worden ist, lässt sich für die Zwecke dieses Urteils wie folgt zusammenfassen.
3 Die TKS, eine Gesellschaft deutschen Rechts, entstand am 1. Januar 1995 durch eine Zusammenlegung der Tätigkeiten der Fried. Krupp AG Hoesch-Krupp (im Folgenden: Krupp) und der Thyssen Stahl AG (im Folgenden: Thyssen) im Bereich nichtrostende säure- und hochtemperaturbeständige Flachstahlerzeugnisse. Der Firmenname der TKS lautete zunächst KruppThyssen Nirosta GmbH, später von September 1997 an Krupp Thyssen Stainless GmbH.
4 Die AST, früher Acciai speciali Terni SpA, eine Gesellschaft italienischen Rechts, deren eine Haupttätigkeit die Herstellung von Flachprodukten aus rostfreiem Stahl ist, wurde am 1. Januar 1994 gegründet. Am 21. Dezember 1994 genehmigte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften den gemeinsamen Erwerb der AST durch mehrere Unternehmen, darunter Krupp und Thyssen. Im Dezember 1995 erhöhte Krupp ihre Beteiligung an der AST von 50 % auf 75 % und am 10. Mai 1996 auf 100 %. Krupp übertrug anschließend die Gesamtheit ihrer Anteile an der AST auf die TKS.
5 Aufgrund von Informationen in der Fachpresse und von Klagen einiger Verbraucher ersuchte die Kommission am 16. März 1995 gemäß Artikel 47 EGKS-Vertrag mehrere Hersteller von rostfreiem Stahl um Auskünfte über einen von ihnen angewandten gemeinsamen Aufpreis, der unter der Bezeichnung „Legierungszuschlag” bekannt ist.
6 Der Legierungszuschlag ist ein Aufpreis, der entsprechend den Kursen der Legierungselemente berechnet wird und um den sich der Grundpreis für rostfreien Stahl erhöht. Die Kosten der von den Herstellern rostfreien Stahls eingesetzten Legierungselemente (Nickel, Chrom und Molybdän) machen einen sehr hohen Anteil der gesamten Herstellungskosten aus. Die Kurse dieser Rohstoffe unterliegen außerordentlichen Schwankungen.
7 Aufgrund der eingegangenen Informationen richtete die Kommission am 19. Dezember 1995 an 19 Unternehmen eine Mitteilung der Beschwerdepunkte (im Folgenden: erste Mitteilung der Beschwerdepunkte).
8 Nachdem die Kommission eine Reihe von Überprüfungen vor Ort durchgeführt hatte, teilten ihr im Dezember 1996 und Januar 1997 die Rechtsanwälte o...