Entscheidungsstichwort (Thema)
Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Internationales Privatrecht im Bereich der Nachnamen. Bestimmung des anwendbaren Rechts unter Anknüpfung allein an die Staatsangehörigkeit. In einem Mitgliedstaat geborenes und wohnhaftes minderjähriges Kind, das die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats besitzt. Nichtanerkennung des im Geburts- und Wohnsitzmitgliedstaat erworbenen Namens in dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehöriger das Kind ist
Beteiligte
Tenor
Art. 18 EG steht unter Bedingungen wie denen des Ausgangsverfahrens dem entgegen, dass die Behörden eines Mitgliedstaats es unter Anwendung des nationalen Rechts ablehnen, den Nachnamen eines Kindes anzuerkennen, der in einem anderen Mitgliedstaat bestimmt und eingetragen wurde, in dem dieses Kind – das wie seine Eltern nur die Staatsangehörigkeit des erstgenannten Mitgliedstaats besitzt – geboren wurde und seitdem wohnt.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Amtsgericht Flensburg (Deutschland) mit Entscheidung vom 16. August 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 28. August 2006, in dem Verfahren
Stefan Grunkin,
Dorothee Regina Paul,
Beteiligte:
Leonhard Matthias Grunkin-Paul,
Standesamt Niebüll,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann (Berichterstatter), C. W. A. Timmermans, A. Rosas, K. Lenaerts und M. ilešič, der Richter G. Arestis, A. Borg Barthet, J. Malenovský, J. Klučka, U. Lõhmus und E. Levits sowie der Richterin C. Toader,
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. Dezember 2007,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Grunkin,
- der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und J. Kemper als Bevollmächtigte,
- der belgischen Regierung, vertreten durch L. Van den Broeck als Bevollmächtigte,
- der griechischen Regierung, vertreten durch E.-M. Mamouna, G. Skiani und O. Patsopoulou als Bevollmächtigte,
- der spanischen Regierung, vertreten durch M. Sampol Pucurull und J. Rodríguez Cárcamo als Bevollmächtigte,
- der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und J.-C. Niollet als Bevollmächtigte,
- der litauischen Regierung, vertreten durch D. Kriaučiūnas als Bevollmächtigten,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch H. G. Sevenster als Bevollmächtigte,
- der polnischen Regierung, vertreten durch E. Ośniecka-Tamecka als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch D. Maidani, S. Gruenheid und W. Bogensberger als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 24. April 2008
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 12 EG und 18 EG.
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits, den Herr Grunkin und Frau Paul gegen das Standesamt Niebüll führen, weil dieses es ablehnt, den in Dänemark bestimmten und eingetragenen Nachnamen ihres Sohnes Leonhard Matthias anzuerkennen und in das für sie bei diesem Standesamt angelegte Familienbuch einzutragen.
Deutsches Recht
Internationales Privatrecht
Rz. 3
Art. 10 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) bestimmt:
„Der Name einer Person unterliegt dem Recht des Staates, dem die Person angehört.”
Bürgerliches Recht
Rz. 4
Zur Bestimmung des Nachnamens eines Kindes, dessen Eltern unterschiedliche Namen führen, heißt es in § 1617 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB):
„(1) Führen die Eltern keinen Ehenamen und steht ihnen die Sorge gemeinsam zu, so bestimmen sie durch Erklärung gegenüber dem Standesbeamten den Namen, den der Vater oder die Mutter zur Zeit der Erklärung führt, zum Geburtsnamen des Kindes. …
(2) Treffen die Eltern binnen eines Monats nach der Geburt des Kindes keine Bestimmung, überträgt das Familiengericht das Bestimmungsrecht einem Elternteil. Absatz 1 gilt entsprechend. Das Gericht kann dem Elternteil für die Ausübung des Bestimmungsrechts eine Frist setzen. Ist nach Ablauf der Frist das Bestimmungsrecht nicht ausgeübt worden, so erhält das Kind den Namen des Elternteils, dem das Bestimmungsrecht übertragen ist.
(3) Ist ein Kind nicht im Inland geboren, so überträgt das Gericht einem Elternteil das Bestimmungsrecht nach Absatz 2 nur dann, wenn ein Elternteil oder das Kind dies beantragt oder die Eintragung des Namens des Kindes in ein deutsches Personenstandsbuch oder in ein amtliches deutsches Identitätspapier erforderlich wird.”
Ausgangsverfahren und Vorlagefrage
Rz. 5
Am 27. Juni 1998 wurde in Dänemark Leonhard Matthias Grunkin-Paul als Kind von Frau Paul und Herrn Grunkin geboren, die damals miteinander verheiratet waren und beide die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Das Kind besitzt ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit und lebt seit seiner Geburt in Dänemark.
Rz. 6
A...