Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Richtlinie 92/43/EWG. Art. 4 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1. Nicht fristgerechte Aufnahme des Gebiets des Paralimni-Sees als Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung. Schutzsystem für die Art Natrix natrix cypriaca (zyprische Ringelnatter)
Beteiligte
Tenor
1. Die Republik Zypern hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen in der durch die Richtlinie 2006/105/EG des Rates vom 20. November 2006 geänderten Fassung, aus der Richtlinie 92/43 in ihrer geänderten Fassung und aus Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 92/43 in ihrer geänderten Fassung verstoßen, dass sie
- das Gebiet des Paralimni-Sees nicht in die nationale Liste der vorgeschlagenen Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung aufgenommen hat,
- Tätigkeiten geduldet hat, die die ökologischen Merkmale des Paralimni-Sees ernsthaft beeinträchtigen, und nicht die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz der Erhaltung der Population der Art Natrix natrix cypriaca (zyprische Ringelnatter), die das ökologische Interesse des Paralimni-Sees und des Xyliatos-Staudamms darstellt, erlassen hat und
- nicht die notwendigen Maßnahmen getroffen hat, um ein strenges Schutzsystem für diese Art einzuführen und umzusetzen.
2. Die Republik Zypern trägt die Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 7. Juli 2010,
Europäische Kommission, vertreten durch G. Zavvos und D. Recchia als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Republik Zypern, vertreten durch K. Lykourgos und M. Chatzigeorgiou als Bevollmächtigte,
Beklagte,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, der Richterin A. Prechal, der Richter K. Schiemann und L. Bay Larsen (Berichterstatter) sowie der Richterin C. Toader,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission die Feststellung, dass die Republik Zypern dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206, S. 7) in der durch die Richtlinie 2006/105/EG des Rates vom 20. November 2006 (ABl. L 363, S. 368) geänderten Fassung (im Folgenden: Habitat-Richtlinie), aus der Habitat-Richtlinie in ihrer Auslegung durch die Urteile vom 13. Januar 2005, Dragaggi u. a. (C-117/03, Slg. 2005, I-167), und vom 14. September 2006, Bund Naturschutz in Bayern u. a. (C-244/05, Slg. 2006, I-8445), sowie aus Art. 12 Abs. 1 dieser Richtlinie verstoßen hat, dass sie
- das Gebiet des Paralimni-Sees nicht in die nationale Liste der vorgeschlagenen Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung (im Folgenden: vGGB) aufgenommen hat,
- Tätigkeiten geduldet hat, die die ökologischen Merkmale des Paralimni-Sees ernsthaft beeinträchtigen, und nicht die erforderlichen Maßnahmen zur Erhaltung der Population der Art Natrix natrix cypriaca (zyprische Ringelnatter), die das ökologische Interesse des Paralimni-Sees und des Xyliatos-Staudamms darstellt, erlassen hat und
- nicht die notwendigen Maßnahmen getroffen hat, um ein strenges Schutzsystem für diese Art einzuführen und umzusetzen.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 2
Nach Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 der Habitat-Richtlinie „wird ein kohärentes europäisches ökologisches Netz besonderer Schutzgebiete mit der Bezeichnung ‚Natura 2000’ errichtet. Dieses Netz besteht aus Gebieten, die die natürlichen Lebensraumtypen des Anhangs I sowie die Habitate der Arten des Anhang II umfassen, und muss den Fortbestand oder gegebenenfalls die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes dieser natürlichen Lebensraumtypen und Habitate der Arten in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet gewährleisten.”
Rz. 3
Art. 4 Abs. 1 und 2 der Habitat-Richtlinie bestimmt:
„(1) Anhand der in Anhang III (Phase 1) festgelegten Kriterien und einschlägiger wissenschaftlicher Informationen legt jeder Mitgliedstaat eine Liste von Gebieten vor, in der die in diesen Gebieten vorkommenden natürlichen Lebensraumtypen des Anhangs I und einheimischen Arten des Anhangs II aufgeführt sind. Bei Tierarten, die große Lebensräume beanspruchen, entsprechen diese Gebiete den Orten im natürlichen Verbreitungsgebiet dieser Arten, welche die für ihr Leben und ihre Fortpflanzung ausschlaggebenden physischen und biologischen Elemente aufweisen. Für im Wasser lebende Tierarten, die große Lebensräume beanspruchen, werden solche Gebiete nur vorgeschlagen, wenn sich ein Raum klar abgrenzen lässt, der die für das Leben und die Fortpflanzung dieser Arten ...