Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Selbständige Handelsvertreter. Begriff ‚Handelsvertreter’. Elektronische Lieferung einer Computersoftware an Kunden. Erteilung einer unbefristeten Nutzungslizenz. Begriffe ‚Verkauf’ und ‚Waren’

 

Normenkette

Richtlinie 86/653/EWG Art. 1 Abs. 2

 

Beteiligte

The Software Incubator

The Software Incubator Ltd

Computer Associates (UK) Ltd

 

Tenor

Der Begriff „Verkauf von Waren” in Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter ist dahin auszulegen, dass er die elektronische Lieferung eines Computerprogramms an einen Kunden gegen Bezahlung einschließen kann, wenn diese Lieferung durch die Erteilung einer unbefristeten Lizenz zur Nutzung des Programms ergänzt wird.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Supreme Court of the United Kingdom (Oberster Gerichtshof des Vereinigten Königreichs) mit Entscheidung vom 22. Mai 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Mai 2019, in dem Verfahren

The Software Incubator Ltd

gegen

Computer Associates (UK) Ltd

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Vilaras, der Richter N. Piçarra, D. Šváby und S. Rodin sowie der Richterin K. Jürimäe (Berichterstatterin),

Generalanwalt: E. Tanchev,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der The Software Incubator Ltd, vertreten durch O. Segal, QC, und E. Meleagros, solicitor,
  • der Computer Associates (UK) Ltd, vertreten durch J. Dhillon, QC, D. Heaton, barrister, C. Hopkins und J. Mash, solicitors,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller, M. Hellmann und U. Bartl als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Armati und L. Malferrari als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17. Dezember 2020

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter (ABl. 1986, L 382, S. 17).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der The Software Incubator Ltd und der Computer Associates (UK) Ltd (im Folgenden: Computer Associates) über die Zahlung von Schadensersatz wegen der Beendigung des zwischen diesen beiden Unternehmen bestehenden Vertrags.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Austrittsabkommen

Rz. 3

Mit seinem Beschluss (EU) 2020/135 vom 30. Januar 2020 über den Abschluss des Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft (ABl. 2020, L 29, S. 1, im Folgenden: Austrittsabkommen) hat der Rat der Europäischen Union das Austrittsabkommen im Namen der Union und der Europäischen Atomgemeinschaft genehmigt. Das Abkommen ist dem Beschluss beigefügt.

Rz. 4

Art. 86 („Vor dem Gerichtshof der Europäischen Union anhängige Rechtssachen”) des Austrittsabkommens sieht in den Abs. 2 und 3 vor:

„(2) Der Gerichtshof der Europäischen Union ist weiterhin für Vorabentscheidungsersuchen der Gerichte des Vereinigten Königreichs zuständig, die vor Ende des Übergangszeitraums vorgelegt werden.

(3) Für die Zwecke dieses Kapitels gilt ein Verfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union zu dem Zeitpunkt als eingeleitet und ein Vorabentscheidungsersuchen zu dem Zeitpunkt als vorgelegt, zu dem die Unterlagen zur Einleitung des Verfahrens von der Kanzlei des Gerichtshofs … registriert wurden.”

Rz. 5

Nach Art. 126 des Austrittsabkommens hat der Übergangszeitraum am Tag des Inkrafttretens des Abkommens begonnen und am 31. Dezember 2020 geendet.

Richtlinie 86/653

Rz. 6

In den Erwägungsgründen 2 und 3 der Richtlinie 86/653 heißt es:

„Die Unterschiede zwischen den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der Handelsvertretungen beeinflussen die Wettbewerbsbedingungen und die Berufsausübung innerhalb der [Europäischen Union] spürbar und beeinträchtigen den Umfang des Schutzes der Handelsvertreter in ihren Beziehungen zu ihren Unternehmen sowie die Sicherheit im Handelsverkehr. Diese Unterschiede erschweren im Übrigen auch erheblich den Abschluss und die Durchführung von Handelsvertreterverträgen zwischen einem Unternehmer und einem Handelsvertreter, die in verschiedenen Mitgliedstaaten niedergelassen sind.

Der Warenaustausch zwischen den Mitgliedstaaten muss unter Bedingungen erfolgen, die denen eines Binnenmarktes entsprechen, weswegen die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten in dem zum guten Funktionieren des Gemeinsamen Marktes erforderlichen Umfang angeglichen werden müssen. Selbst vereinheitlichte Kollisionsnormen auf dem Gebiet der Handelsvertretung können die erwähnten Nachteile nicht beseitigen und lassen daher einen Verzicht auf die ...

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