Entscheidungsstichwort (Thema)
Regelung eines Mitgliedsaats im Hinblick auf Artikel 86 und 90 EG-Vertrag (jetzt Artikel 82 EG und 86 EG). Postdienstleistungen. Nationale Regelung, die die Erbringung von Eilkurierdienstleistungen durch Einrichtungen, die nicht mit dem Betrieb des Universaldienstes betraut sind, der Zahlung der Postgebühren unterwirft, die normalerweise auf die Universaldienstleistungen anwendbar sind. Zuweisung des Aufkommens aus diesen Gebühren an die Einrichtung, die mit dem ausschließlichen Betrieb des Universaldienstes betraut ist. betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Tribunale civile di Genova (Italien) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
Normenkette
EGV Art. 86, 90
Beteiligte
Tenor
1. Artikel 86 in Verbindung mit Artikel 90 EG-Vertrag (jetzt Artikel 82 EG und 86 EG) steht der Regelung eines Mitgliedstaats – soweit diese zu einer Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten führen kann – entgegen, durch die ein privatrechtliches Unternehmen mit dem ausschließlichen Betrieb des postalischen Universaldienstes betraut wird und die das Recht anderer Wirtschaftsteilnehmer, nicht zum Universaldienst gehörende Eilkurierdienstleistungen zu erbringen, davon abhängig macht, dass diese an das mit dem Universaldienst betraute Unternehmen eine Postgebühr entrichten, die der normalerweise geschuldeten Frankierungsgebühr entspricht; dies gilt nicht, wenn nachgewiesen wird, dass das Aufkommen aus dieser Zahlung erforderlich ist, um dem genannten Unternehmen die Gewährleistung des postalischen Universaldienstes unter wirtschaftlich annehmbaren Bedingungen zu ermöglichen, und dass dieses Unternehmen zur Zahlung der gleichen Gebühr verpflichtet ist, wenn es selbst Eilkurierdienstleistungen erbringt, die nicht zu diesem Universaldienst gehören.
2. Dieser Nachweis kann nach den Modalitäten der internen Rechtsordnung des betreffenden Mitgliedstaats erbracht werden, wobei diese Modalitäten nicht weniger günstig sein dürfen als bei entsprechenden Klagen, die innerstaatliches Recht betreffen, und die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen.
Gründe
1. Das Tribunale civile di Genova hat mit Beschluss vom 21. Juni 1999, beim Gerichtshof eingegangen am 13. September 1999, gemäß Artikel 234 EG eine Frage nach der Auslegung der Artikel 86 und 90 EG-Vertrag (jetzt Artikel 82 EG und 86 EG) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2. Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen der TNT Traco SpA (im Folgenden: Klägerin), die im gesamten italienischen Hoheitsgebiet einen privatrechtlichen Dienst der Sammlung, Beförderung und Zustellung von Eilsendungen anbietet, einerseits und der Poste Italiane SpA (im Folgenden: Poste Italiane) sowie drei ihrer Beschäftigten andererseits über eine Entscheidung, mit der diese Beschäftigten gegen die Klägerin gemäß Artikel 39 des Decreto del Presidente della Republica N. 156 recante approvazione del testo unico delle disposizioni legislative in materia postale, di bancoposta e di telecomunicazioni [Dekret des Präsidenten der Republik über die Genehmigung des koordinierten Wortlauts der Rechtsvorschriften über den Postdienst, den Postbankdienst und die Telekommunikation] vom 29. März 1973 (GURI, Supplemento ordinario, Nr. 113 vom 3. Mai 1973, im Folgenden: Postgesetzbuch) eine Geldstrafe verhängt haben.
Rechtlicher Rahmen
3. Artikel 1 des Postgesetzbuchs – Ausschließlichkeit der Post- und Fernmeldedienste – bestimmt:
Folgende Tätigkeiten stehen in den in diesem Dekret gesetzten Grenzen ausschließlich dem Staat zu:
die Dienstleistungen des Einsammelns, der Beförderung und der Zustellung von Briefpost,
…
4. Artikel 7 des Postgesetzbuchs sieht vor:
Vorbehaltlich der Zuständigkeit des Ministers für das Post- und Fernmeldewesen in den in diesem Gesetz vorgesehenen Fällen werden die Inlandstarife für Post-, Postbank- und Fernmeldedienstleistungen auf Vorschlag des Ministers für das Post- undFernmeldewesen im Einvernehmen mit dem Schatzminister nach Anhörung des Ministerrats durch Dekret des Präsidenten der Republik festgelegt.
5. Nach Artikel 8 des Postgesetzbuchs werden die Tarife für Postdienste und internationale Postbankdienste auf der Grundlage internationaler Übereinkommen oder mit den betreffenden ausländischen Verwaltungen geschlossener Vereinbarungen durch den Minister für das Post- und Fernmeldewesen im Einvernehmen mit dem Schatzminister festgelegt.
6. Artikel 39 des Postgesetzbuchs – Zuwiderhandlungen gegen das Ausschließlichkeitsrecht der Post – bestimmt:
Wer unter Verstoß gegen Artikel 1 dieses Dekrets Briefsendungen selbst oder durch Dritte annimmt, befördert oder zustellt, wird mit einer Geldstrafe bestraft, die das Zwanzigfache des Frankierbetrags, mindestens aber 800 ITL beträgt.
Mit der gleichen Strafe wird bestraft, wer gewohnheitsmäßig Dritten Briefsendungen zum Zweck der Beförderung oder Zustellung übergibt.
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Die...