Entscheidungsstichwort (Thema)
Marken. Begriff ‚ernsthafte Benutzung’. Marke, die nur als Bestandteil einer zusammengesetzten Marke oder in Verbindung mit einer anderen Marke benutzt wird
Beteiligte
Tenor
Die Voraussetzung einer ernsthaften Benutzung einer Marke im Sinne von Art. 15 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke kann erfüllt sein, wenn eine eingetragene Marke, die ihre Unterscheidungskraft infolge der Benutzung einer anderen, zusammengesetzten Marke erlangt hat, deren Bestandteil sie ist, nur vermittels dieser anderen zusammengesetzten Marke benutzt wird oder wenn sie nur in Verbindung mit einer anderen Marke benutzt wird und beide Marken zusammen zusätzlich als Marke eingetragen sind.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 24. November 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 9. Januar 2012, in dem Verfahren
Colloseum Holding AG
gegen
Levi Strauss & Co.
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz sowie der Richter A. Rosas, E. Juhász (Berichterstatter), D. Šváby und C. Vajda,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. November 2012,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Colloseum Holding AG, vertreten durch Rechtsanwalt M. Klette,
- der Levi Strauss & Co., vertreten durch Rechtsanwälte H. Harte-Bavendamm und M. Goldmann,
- der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Kemper als Bevollmächtigte,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von M. Santoro, avvocato dello Stato,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch C. Murrell als Bevollmächtigte im Beistand von S. Ford, Barrister,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch F. Bulst und F. Wilman als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 15 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1), der ohne Änderung als Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 1 in die Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 78, S. 1) übernommen wurde.
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht in einem Rechtsstreit zwischen der Colloseum Holding AG (im Folgenden: Colloseum) und Levi Strauss & Co. (im Folgenden: Levi Strauss) über die Auslegung des Begriffs „ernsthafte Benutzung” im Sinne von Art. 15 Abs. 1 der Verordnung Nr. 40/94, wenn eine eingetragene Marke nur vermittels einer anderen zusammengesetzten Marke benutzt wird, deren Bestandteil sie ist, oder wenn sie nur in Verbindung mit einer anderen Marke benutzt wird und beide Marken zusammen als Marke eingetragen sind.
Rechtlicher Rahmen
Völkerrecht
Rz. 3
Art. 5 C Abs. 1 und 2 der am 20. März 1883 in Paris unterzeichneten Übereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums (Pariser Verbandsübereinkunft), zuletzt revidiert in Stockholm am 14. Juli 1967 und geändert am 28. September 1979 (United Nations Treaty Series, Bd. 828, Nr. 11851, S. 305), bestimmt:
„(1) Ist in einem Land der Gebrauch der eingetragenen Marke vorgeschrieben, so darf die Eintragung erst nach Ablauf einer angemessenen Frist und nur dann für ungültig erklärt werden, wenn der Beteiligte seine Untätigkeit nicht rechtfertigt.
(2) Wird eine Fabrik- oder Handelsmarke vom Inhaber in einer Form gebraucht, die von der Eintragung in einem der Verbandsländer nur in Bestandteilen abweicht, ohne dass dadurch die Unterscheidungskraft der Marke beeinflusst wird, so soll dieser Gebrauch die Ungültigkeit der Eintragung nicht nach sich ziehen und den der Marke gewährten Schutz nicht schmälern.”
Unionsrecht
Rz. 4
Der neunte Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 40/94 lautet:
„Der Schutz der Gemeinschaftsmarke sowie jeder eingetragenen älteren Marke, die ihr entgegensteht, ist nur insoweit berechtigt, als diese Marken tatsächlich benutzt werden.”
Rz. 5
Art. 7 („Absolute Eintragungshindernisse”) der Verordnung Nr. 40/94 bestimmt in Abs. 1:
„Von der Eintragung ausgeschlossen sind
…
b) Marken, die keine Unterscheidungskraft haben,
c) Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geografischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können,
d) Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben zur Bezeichnung der Ware oder Dienstleistung bestehen, die im allgemeinen Sprachgebrauch oder in den redlichen und ständi...