Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Staatliche Beihilfen. Forderung einer Gesellschaft, deren Kapital überwiegend vom rumänischen Staat gehalten wird, gegen eine Gesellschaft, deren alleiniger Aktionär dieser Staat ist. Hingabe an Zahlungs statt. Begriff „staatliche Beihilfe”. Pflicht zur Anmeldung bei der Europäischen Kommission

 

Beteiligte

Fondul Proprietatea

Fondul Proprietatea SA

Complexul Energetic Oltenia SA

 

Tenor

1. Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens kann der Beschluss einer mehrheitlich von einem Mitgliedstaat gehaltenen Gesellschaft, eine Hingabe eines Aktivums, das im Eigentum einer anderen Gesellschaft steht, deren alleiniger Aktionär dieser Mitgliedstaat ist, an Zahlungs statt zu akzeptieren, um eine Forderung zum Erlöschen zu bringen, und einen Betrag in Höhe der Differenz zwischen dem geschätzten Wert dieses Aktivums und dem Betrag dieser Forderung zu zahlen, eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 AEUV darstellen, wenn

  • dieser Beschluss einen unmittelbar oder mittelbar aus staatlichen Mitteln gewährten Vorteil darstellt und dem Staat zugerechnet werden kann,
  • das begünstigte Unternehmen derartige Erleichterungen nicht von einem privaten Gläubiger erhalten hätte und
  • dieser Beschluss geeignet ist, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen und den Wettbewerb zu verfälschen.

Es ist Sache der nationalen Gerichte, zu prüfen, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind.

2. Wenn ein nationales Gericht den Beschluss einer mehrheitlich von einem Mitgliedstaat gehaltenen Gesellschaft, eine Hingabe eines Aktivums, das im Eigentum einer anderen Gesellschaft steht, deren alleiniger Aktionär dieser Mitgliedstaat ist, an Zahlungs statt zu akzeptieren, um eine Forderung zum Erlöschen zu bringen, und einen Betrag in Höhe der Differenz zwischen dem geschätzten Wert dieses Aktivums und dem Betrag dieser Forderung zu zahlen, als staatliche Beihilfe einstuft, sind die nationalen Behörden dieses Mitgliedstaats verpflichtet, diese Beihilfe vor ihrer Durchführung gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV bei der Europäischen Kommission anzumelden.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Curtea de Apel Craiova (Berufungsgericht Craiova, Rumänien) mit Entscheidung vom 3. März 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 14. März 2016, in dem Verfahren

Fondul Proprietatea SA

gegen

Complexul Energetic Oltenia SA

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. L. da Cruz Vilaça (Berichterstatter), der Richterin M. Berger sowie der Richter A. Borg Barthet, E. Levits und F. Biltgen,

Generalanwalt: N. Wahl,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Fondul Proprietatea SA, vertreten durch C. Dontu, D. Petrache und A. Dăscălescu, avocaţi,
  • der rumänischen Regierung, vertreten durch R. H. Radu, R. Mangu und M. Bejenar als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Nicolae und P. Němečková als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 107 AEUV und von Art. 108 Abs. 3 AEUV.

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Fondul Proprietatea SA (im Folgenden: Fondul) und der Complexul Energetic Oltenia SA (im Folgenden: CE Oltenia) wegen eines Antrags auf Nichtigerklärung des Beschlusses der Hauptversammlung von CE Oltenia, im Hinblick auf ihre Forderung gegen die Electrocentrale Grup SA (im Folgenden: Electrocentrale) eine Hingabe an Zahlungs statt zu akzeptieren.

Rumänisches Recht

Rz. 3

Nach Art. 1469 Abs. 2 des Zivilgesetzbuchs „besteht [die Zahlung] in der Übergabe eines Geldbetrags oder gegebenenfalls in der Erbringung jeder anderen Leistung, die den Gegenstand der Verpflichtung darstellt”.

Rz. 4

Art. 1609 des Zivilgesetzbuchs bestimmt:

„(1) Eine Novation liegt vor, wenn der Schuldner gegenüber dem Gläubiger eine neue Verpflichtung eingeht, die die ursprüngliche ersetzt und aufhebt.

(2) Eine Novation liegt auch vor, wenn ein neuer Schuldner an die Stelle des bisherigen Schuldners tritt, den der Gläubiger aus der Schuld entlässt. Die alte Verpflichtung ist damit erloschen. In diesem Fall erfolgt die Novation ohne die Zustimmung des bisherigen Schuldners.

(3) Eine Novation liegt auch vor, wenn aufgrund eines neuen Vertrags ein neuer Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers tritt, gegenüber dem der Schuldner von der Schuld befreit wird. Die alte Verpflichtung erlischt.”

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

Rz. 5

CE Oltenia, deren Grundkapital zu 77,17 % vom rumänischen Staat und zu 21,53 % von Fondul gehalten wird, war Gläubigerin von Electrocentrale, deren alleiniger Aktionär der rumänische Staat ist, mit einem Betrag von 28 709 475,13 rumänische Lei (RON) (etwa 6,4 Mio. Euro).

Rz. 6

Am 27. September 2013 stimmte ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge