Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Erdgasbinnenmarkt. Zeitliche Geltung. Kapazitätszuweisungsmechanismen und Verfahren für das Engpassmanagement. Entscheidung einer Regulierungsbehörde. Recht zur Einlegung eines Rechtsbehelfs. Klage einer Gesellschaft, die über eine Genehmigung zum Transport von Erdgas verfügt. Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz gegen eine Entscheidung einer Regulierungsbehörde
Normenkette
Richtlinie 2003/55/EG Art. 25; Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 47; Verordnung (EG) Nr. 1775/2005 Art. 5; Richtlinie 2009/73/EG Art. 41, 54
Beteiligte
Magyar Energetikai és Közmű-szabályozási Hivatal |
Tenor
1. Die Richtlinie 2009/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55/EG, deren Umsetzungsfrist am 3. März 2011 ablief, und insbesondere die neuen Bestimmungen in ihrem Art. 41 Abs. 17 sind dahin auszulegen, dass sie nicht auf eine Klage anwendbar ist, die gegen eine vor dem Ablauf der Umsetzungsfrist ergangene Entscheidung einer Regulierungsbehörde – wie der, um die es im Ausgangsverfahren geht – erhoben wurde und bei Ablauf dieser Frist immer noch anhängig war.
2. Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1775/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. September 2005 über die Bedingungen für den Zugang zu den Erdgasfernleitungsnetzen in Verbindung mit dem Anhang dieser Verordnung und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung über die Erhebung von Klagen vor dem für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Rechtsakten einer Regulierungsbehörde zuständigen Gericht entgegenstehen, nach der einem Wirtschaftsteilnehmer wie der E.ON Földgáz Trade Zrt. unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens keine Befugnis zur Klageerhebung gegen eine Entscheidung der Regulierungsbehörde über den Netzkodex zuerkannt werden kann.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Kúria (Ungarn) mit Entscheidung vom 2. Juli 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 25. September 2013, in dem Verfahren
E.ON Földgáz Trade Zrt.
gegen
Magyar Energetikai és Közmű-szabályozási Hivatal
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen, der Richterin K. Jürimäe (Berichterstatterin), der Richter J. Malenovský und M. Safjan sowie der Richterin A. Prechal,
Generalanwalt: P. Cruz Villalón,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Tokár und K. Herrmann als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 23. Oktober 2014
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 25 der Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG (ABl. L 176, S. 57, berichtigt im ABl. 2004, L 16, S. 74, im Folgenden: Zweite Richtlinie) sowie der Art. 41 und 54 der Richtlinie 2009/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55 (ABl. L 211, S. 94, im Folgenden: Dritte Richtlinie).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der E.ON Földgáz Trade Zrt. (im Folgenden: E.ON Földgáz) und der Magyar Energetikai és Közmű-szabályozási Hivatal (ungarische Regulierungsbehörde für den Energie- und Versorgungssektor, im Folgenden: Regulierungsbehörde) über die von dieser vorgenommene Änderung der im Gasnetzkodex (im Folgenden: Netzkodex) enthaltenen Vorschriften über die langfristige Kapazitätszuweisung und das Engpassmanagement.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Zweite Richtlinie
Rz. 3
In Art. 25 („Regulierungsbehörden”) Abs. 5, 6 und 11 der Zweiten Richtlinie war bestimmt:
„(5) Jeder Betroffene, der hinsichtlich der in den Absätzen 1, 2 und 4 und der in Artikel 19 genannten Punkte eine Beschwerde gegen einen Fernleitungs- oder Verteilernetzbetreiber oder den Betreiber einer [Flüssig-Erdgas]-Anlage hat, kann damit die Regulierungsbehörde befassen, die als Streitbeilegungsstelle innerhalb von zwei Monaten nach Eingang der Beschwerde eine Entscheidung trifft. Diese Frist kann um zwei Monate verlängert werden, wenn die Regulierungsbehörde zusätzliche Informationen anfordert. Mit Zustimmung des Beschwerdeführers ist eine weitere Verlängerung dieser Frist möglich. Eine solche Entscheidung ist verbindlich, bis sie gegebenenfalls aufgrund eines Rechtsbehelfs aufgehoben wird.
(6) Jeder Betroffene, der hinsichtlich einer gemäß den Absätzen 2, 3 oder 4 getroffenen Entscheidung ...