Entscheidungsstichwort (Thema)
Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Verordnung (EG) Nr. 1346/2000. Art. 3 Abs. 1. Begriff der Klage, die an ein Insolvenzverfahren anknüpft und in engem Zusammenhang damit steht. Verordnung (EG) Nr. 44/2001. Art. 1 Abs. 1 und 2 Buchst. b. Begriffe ‚Zivil- und Handelssachen’ und ‚Konkurs’. Klage auf der Grundlage einer Abtretung des Insolvenzanfechtungsrechts durch den Insolvenzverwalter
Leitsatz (amtlich)
Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass eine Klage, die gegen einen Dritten von einem Anspruchsteller auf der Grundlage einer durch den im Rahmen eines Insolvenzverfahrens bestellten Verwalter erfolgten Forderungsabtretung erhoben wird, deren Gegenstand das Insolvenzanfechtungsrecht ist, das diesem Verwalter nach dem für das Insolvenzverfahren geltenden nationalen Recht zusteht, unter den Begriff der Zivil- und Handelssachen im Sinne dieser Bestimmung fällt.
Beteiligte
Lietuvos-Anglijos UAB „Jadecloud-Vilma” |
Nachgehend
Tenor
Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass eine Klage, die gegen einen Dritten von einem Anspruchsteller auf der Grundlage einer durch den im Rahmen eines Insolvenzverfahrens bestellten Verwalter erfolgten Forderungsabtretung erhoben wird, deren Gegenstand das Insolvenzanfechtungsrecht ist, das diesem Verwalter nach dem für das Insolvenzverfahren geltenden nationalen Recht zusteht, unter den Begriff der Zivil- und Handelssachen im Sinne dieser Bestimmung fällt.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Lietuvos Aukščiausiasis Teismas (Litauen) mit Entscheidung vom 27. April 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Mai 2010, in dem Verfahren
F-Tex SIA
gegen
Lietuvos-Anglijos UAB „Jadecloud-Vilma”
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter M. Safjan, M. Ilešič und E. Levits sowie der Richterin M. Berger (Berichterstatterin),
Generalanwältin: V. Trstenjak,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der F-Tex SIA, vertreten durch M. Nosevič, advokatas,
- der Lietuvos-Anglijos UAB „Jadecloud-Vilma”, vertreten durch R. Bukauskas, advokatas,
- der litauischen Regierung, vertreten durch D. Kriaučiūnas und L. Liubertaitė als Bevollmächtigte,
- der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Kemper als Bevollmächtigte,
- der hellenischen Regierung, vertreten durch M. Michelogiannaki, K. Georgiadis und D. Kalogiros als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Steiblytė und M. Wilderspin als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (ABl. L 160, S. 1) sowie von Art. 1 Abs. 2 Buchst. b und Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der F-Tex SIA (im Folgenden: F-Tex) und der Lietuvos-Anglijos UAB „Jadecloud-Vilma” (im Folgenden: Jadecloud-Vilma) wegen der Rückzahlung von 523 700,20 LTL zuzüglich Zinsen, die die Neo Personal Light Clothing GmbH (im Folgenden: NPLC) zu einem Zeitpunkt, zu dem sie bereits zahlungsunfähig war, an Jadecloud-Vilma gezahlt hatte.
Rechtlicher Rahmen
Verordnung Nr. 1346/2000
Nach ihrem sechsten Erwägungsgrund beschränkt sich die Verordnung Nr. 1346/2000 auf „Vorschriften …, die die Zuständigkeit für die Eröffnung von Insolvenzverfahren und für Entscheidungen regeln, die unmittelbar aufgrund des Insolvenzverfahrens ergehen und in engem Zusammenhang damit stehen”.
Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1346/2000, der die internationale Zuständigkeit regelt, stellt dafür folgende Grundregel auf:
„Für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat. Bei Gesellschaften und juristischen Personen wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass der Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen der Ort des satzungsmäßigen Sitzes ist.”
Art. 25 der Verordnung Nr. 1346/2000, der die Anerkennung und Vollstreckbarkeit sonstiger Entscheidungen regelt, bestimmt in seinen Abs....