Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorabentscheidungsersuchen. Marken. Für Bankdienstleistungen angemeldete konturlose Marke in Rot. Antrag auf Ungültigerklärung. Infolge Benutzung erworbene Unterscheidungskraft. Nachweis. Verbraucherbefragung. Zeitpunkt, zu dem die Unterscheidungskraft infolge Benutzung erworben sein muss. Beweislast
Normenkette
Richtlinie 2008/95/EG Art. 3 Abs. 1, 3
Beteiligte
Santander Consumer Bank AG |
Deutscher Sparkassen- und Giroverband e. V |
Tenor
1. Art. 3 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken ist dahin auszulegen, dass er einer Auslegung des nationalen Rechts entgegensteht, wonach es in Verfahren, in denen fraglich ist, ob eine konturlose Farbmarke infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erworben hat, stets erforderlich ist, dass eine Verbraucherbefragung einen Zuordnungsgrad dieser Marke von mindestens 70 % ergibt.
2. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2008/95 ist, wenn ein Mitgliedstaat von der in Satz 2 dieser Bestimmung vorgesehenen Befugnis keinen Gebrauch gemacht hat, dahin auszulegen, dass im Rahmen eines Verfahrens zur Ungültigerklärung einer nicht originär unterscheidungskräftigen Marke bei der Beurteilung, ob diese Marke infolge Benutzung Unterscheidungskraft erworben hat, zu prüfen ist, ob die Unterscheidungskraft vor der Anmeldung der Marke erworben wurde. Unerheblich ist insoweit, dass der Inhaber der streitigen Marke geltend macht, sie habe jedenfalls nach der Anmeldung, aber noch vor ihrer Eintragung, infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erlangt.
3. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2008/95 ist, wenn ein Mitgliedstaat von der in Satz 2 dieser Bestimmung vorgesehenen Befugnis keinen Gebrauch gemacht hat, dahin auszulegen, dass er es nicht verbietet, die streitige Marke im Rahmen eines Löschungsverfahrens für ungültig zu erklären, sofern sie nicht originär unterscheidungskräftig ist und ihr Inhaber nicht den Nachweis erbringen kann, dass die Marke vor der Anmeldung infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erlangt hatte.
Tatbestand
In den verbundenen Rechtssachen
betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundespatentgericht (Deutschland) mit Entscheidungen vom 8. März 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 24. April 2013, in den Verfahren
Oberbank AG (C-217/13),
Banco Santander SA (C-218/13),
Santander Consumer Bank AG (C-218/13)
gegen
Deutscher Sparkassen- und Giroverband e. V.
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, der Richter C. G. Fernlund und A. Ó Caoimh, der Richterin C. Toader und des Richters E. Jarašiūnas (Berichterstatter),
Generalanwalt: M. Wathelet,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Oberbank AG, vertreten durch Rechtsanwalt S. Jackermeier,
- der Banco Santander SA und der Santander Consumer Bank AG, vertreten durch Rechtsanwalt B. Goebel,
- des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands e. V., vertreten durch die Rechtsanwälte S. Fischoeder, U. Lüken und U. Karpenstein,
- der spanischen Regierung, vertreten durch N. Díaz Abad als Bevollmächtigte,
- der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Brighouse als Bevollmächtigte im Beistand von S. Ford, Barrister,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch F. W. Bulst und G. Braun als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssachen zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. L 299, S. 25).
Rz. 2
Diese Ersuchen ergehen in Rechtsstreitigkeiten zwischen, in der Rechtssache C-217/13, der Oberbank AG (im Folgenden: Oberbank) und dem Deutschen Sparkassen- und Giroverband e. V. (im Folgenden: DSGV) und, in der Rechtssache C-218/13, der Banco Santander AG (im Folgenden: Banco Santander) sowie der Santander Consumer Bank AG (im Folgenden: Santander Consumer Bank) einerseits und dem DSGV andererseits, die Anträge auf Ungültigerklärung einer konturlosen Marke in Rot betreffen, deren Inhaber der DSGV ist.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Durch die Richtlinie 2008/95 wurde die Erste Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1, berichtigt im ABl. 1989, L 159, S. 60) aufgehoben und ersetzt.
Rz. 4
Im ersten Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/95 heißt es:
„Die Richtlinie [89/104] … wurde inhaltlich geändert. Aus Gründen der Klarheit und der Übersichtlichkeit empfiehlt es sich, sie zu kod...