Entscheidungsstichwort (Thema)
Zollwertermittlung, Transaktionswertmethode, Einfuhr von Arzneimitteln, Bestimmung gleichartiger Warten, 90-Tage-Frist, Ausschlussfrist
Normenkette
EWGV 2913/92 Art. 30 Abs. 2 Buchst. b, c; EWGV 2454/93 Art. 152 Abs. 1 Buchst. b
Beteiligte
Tenor
1. Art. 30 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften in der durch die Verordnung (EG) Nr. 82/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Dezember 1996 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die zuständige nationale Zollbehörde, wenn der Zollwert von Waren wie den in Rede stehenden Arzneimitteln anhand der in dieser Bestimmung vorgesehenen deduktiven Methode berechnet wird, zur Bestimmung „gleichartiger Waren” alle relevanten Gesichtspunkte wie die Zusammensetzung dieser Arzneimittel, ihre Ersetzbarkeit im Hinblick auf ihre Wirkungen und ihre Austauschbarkeit im Handel berücksichtigen muss, indem sie eine Tatsachenwürdigung vornimmt und dabei alle Gesichtspunkte, einschließlich der Marktstellung des eingeführten Arzneimittels und seines Herstellers, berücksichtigt, die sich auf den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert der Arzneimittel auswirken können.
2. Art. 152 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung Nr. 2913/92 ist dahin auszulegen, dass bei der Ermittlung des Preises je Einheit der eingeführten Waren anhand der in Art. 30 Abs. 2 Buchst. c der Verordnung Nr. 2913/92 in der durch die Verordnung Nr. 82/97 geänderten Fassung vorgesehenen Methode die in Art. 152 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 2454/93 festgelegte Frist von 90 Tagen, innerhalb deren die eingeführten Waren in der Union verkauft werden müssen, eine Ausschlussfrist ist.
3. Art. 30 Abs. 2 Buchst. c der Verordnung Nr. 2913/92 in der durch die Verordnung Nr. 82/97 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass Ermäßigungen des Verkaufspreises eingeführter Waren bei der Ermittlung ihres Zollwerts anhand dieser Bestimmung nicht berücksichtigt werden können.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Augstākā tiesa (Oberster Gerichtshof, Lettland) mit Entscheidung vom 15. Dezember 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 2. Januar 2018, in dem Verfahren
”Oribalt Rīga” SIA, vormals „Oriola Rīga” SIA
gegen
Valsts ieņēmumu dienests
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan (Berichterstatter) sowie der Richter C. Lycourgos, E. Juhász, M. Ilešič und I. Jarukaitis,
Generalanwalt: N. Wahl,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. November 2018,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der „Oribalt Rīga” SIA, vertreten durch A. Leškoviča und J. Taukačs, advokāti, und durch Carri Ginter, vandeadvokaat,
- der lettischen Regierung, vertreten durch I. Kucina und J. Davidoviča als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Sauka und F. Clotuche-Duvieusart als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 24. Januar 2019
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 30 Abs. 2 Buchst. b und c der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. 1992, L 302, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 82/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Dezember 1996 (ABl. 1997, L 17, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Zollkodex) sowie von Art. 151 Abs. 4 und Art. 152 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung Nr. 2913/92 (ABl. 1993, L 253, S. 1, im Folgenden: Durchführungsverordnung).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der „Oribalt Rīga” SIA, vormals „Oriola Rīga” SIA, und dem Valsts ieņēmumu dienests (lettische Steuerbehörde) wegen einer Entscheidung des Generaldirektors dieser Behörde, der „Oribalt Rīga” SIA aufzuerlegen, eine Mehrwertsteuernachzahlung nebst einem Säumniszuschlag und einem Bußgeld an die Staatskasse zu entrichten.
Rechtlicher Rahmen
Zollkodex
Rz. 3
Art. 29 Abs. 1 des Zollkodex bestimmt:
„Der Zollwert eingeführter Waren ist der Transaktionswert, das heißt der für die Waren bei einem Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Gemeinschaft tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis, gegebenenfalls nach Berichtigung gemäß den Artikeln 32 und 33 …”
Rz. 4
In Art. 30 des Zollkodex heißt es:
„(1) Kann der Zollwert nicht nach Artikel 29 ermittelt werden, so ist er in der Reihenfolge des Absatzes 2 Buchstaben a) bis d) zu ermitteln, und zwar nach dem jeweils ersten zutreffenden Buchstaben mit der Maßgabe, dass die Inanspruchnahme der Buchstaben c) und d) auf Antrag des Anmelders in umg...