Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung. Versicherungsvertrag, der auf der Grundlage falscher Angaben zum Eigentum an dem Fahrzeug und zur Identität des gewöhnlichen Fahrers des Fahrzeugs geschlossen wurde. Versicherungsnehmer. Fehlendes wirtschaftliches Interesse am Abschluss dieses Vertrags. Absolute Nichtigkeit des Versicherungsvertrags. Wirkung gegenüber geschädigten Dritten
Normenkette
Richtlinie 72/166/EWG Art. 3 Abs. 1; Zweite Richtlinie 84/5/EWG Art. 2 Abs. 1
Beteiligte
Fidelidade-Companhia de Seguros |
Fidelidade-Companhia de Seguros SA |
Fundo de Garantia Automóvel |
Caisse Suisse de Compensation |
Sandra Cristina Crystello Pinto Moreira Pereira |
Sandra Manuela Teixeira Gomes Seemann |
Catarina Ferreira Seemann |
Tenor
Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 72/166/EWG des Rates vom 24. April 1972 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und der Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht und Art. 2 Abs. 1 der Zweiten Richtlinie 84/5/EWG des Rates vom 30. Dezember 1983 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die bewirken würde, dass geschädigten Dritten unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens die Nichtigkeit eines Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsvertrags entgegengehalten werden kann, die aufgrund falscher anfänglicher Angaben des Versicherungsnehmers über die Identität des Eigentümers und des gewöhnlichen Fahrers des betreffenden Fahrzeugs oder aufgrund des Umstands, dass die Person, für die oder in deren Namen der Versicherungsvertrag abgeschlossen wird, kein wirtschaftliches Interesse am Abschluss dieses Vertrags hatte, eintritt.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Supremo Tribunal de Justiça (Oberster Gerichtshof, Portugal) mit Entscheidung vom 4. Mai 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 23. Mai 2016, in dem Verfahren
Fidelidade-Companhia de Seguros SA
gegen
Caisse Suisse de Compensation,
Fundo de Garantia Automóvel,
Sandra Cristina Crystello Pinto Moreira Pereira,
Sandra Manuela Teixeira Gomes Seemann,
Catarina Ferreira Seemann,
José Batista Pereira,
Teresa Rosa Teixeira
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter A. Arabadjiev (Berichterstatter) und C. G. Fernlund,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes, M. Figueiredo und M. Rebelo als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch P. Costa de Oliveira und K.-P. Wojcik als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 72/166/EWG des Rates vom 24. April 1972 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und der Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht (ABl. 1972, L 103, S. 1, im Folgenden: Erste Richtlinie), Art. 2 Abs. 1 der Zweiten Richtlinie 84/5/EWG des Rates vom 30. Dezember 1983 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung (ABl. 1984, L 8, S. 17, im Folgenden: Zweite Richtlinie) und Art. 1 der Dritten Richtlinie 90/232/EWG des Rates vom 14. Mai 1990 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung (ABl. 1990, L 129, S. 33, im Folgenden: Dritte Richtlinie).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Fidelidade-Companhia de Seguros SA einerseits und der Caisse Suisse de Compensation, dem Fundo de Garantia Automóvel (Kraftfahrzeug-Garantiefonds), Frau Sandra Cristina Crystello Pinto Moreira Pereira, Frau Sandra Manuela Teixeira Gomes Seemann, Frau Catarina Ferreira Seemann, Herrn José Batista Pereira und Frau Teresa Rosa Teixeira andererseits betreffend die Vereinbarkeit einer nationalen Regelung, nach der ein Versicherungsvertrag, der auf der Grundlage falscher Angaben zur Identität des Eigentümers und des gewöhnlichen Fahrers eines Kraftfahrzeugs geschlossen wurde, absolut nichtig ist, mit den vorstehend genannten Bestimmungen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 3 Abs. 1 der Ersten Richtlinie bestimmt:
„Jeder Mitgliedstaat trifft … alle zweckdienlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Haftpflicht bei Fahrzeugen mit gewöhnlichem Standort im Inland durch eine Versicherung gedeckt ist. Die Schadensdeckung sowie die Modalitäten dieser Versicherung werden im Rahmen dieser...