Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Obligatorische Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung. Diebstahl eines Fahrzeugs. Verkehrsunfall. Personen- und Sachschäden, die der versicherte Eigentümer des Fahrzeugs als Fußgänger erleidet. Haftpflicht. Entschädigung. Deckung durch die Pflichtversicherung. Ausschlussklauseln. Nationale Regelung, nach der der versicherte Eigentümer des Fahrzeugs von der Leistung einer Entschädigung durch die Versicherung ausgeschlossen ist. Vereinbarkeit mit den genannten Richtlinien. Begriff ‚geschädigter Dritter’
Normenkette
Richtlinie 72/166/EWG; Richtlinie 84/5/EWG; Richtlinie 90/232/EWG; Richtlinie 2009/103/EG
Beteiligte
Luís Isidro Delgado Mendes |
Crédito Agrícola Seguros – Companhia de Seguros de Ramos Reais SA |
Tenor
Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 72/166/EWG des Rates vom 24. April 1972 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug- Haftpflichtversicherung und der Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht, Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 der Zweiten Richtlinie 84/5/EWG des Rates vom 30. Dezember 1983 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung in der durch die Richtlinie 2005/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 geänderten Fassung und Art. 1a der Dritten Richtlinie 90/232/EWG des Rates vom 14. Mai 1990 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung in der durch die Richtlinie 2005/14 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, mit der die Deckung und somit die Entschädigung durch die obligatorische Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung für Personen- und Sachschäden, die ein Fußgänger, der Opfer eines Straßenverkehrsunfalls war, erlitten hat, allein deshalb ausgeschlossen wird, weil dieser Fußgänger Versicherungsnehmer und Eigentümer des Fahrzeugs war, das diese Schäden verursacht hat.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal da Relação de Évora (Berufungsgericht Évora, Portugal) mit Entscheidung vom 16. Juni 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 23. September 2016, in dem Verfahren
Luís Isidro Delgado Mendes
gegen
Crédito Agrícola Seguros – Companhia de Seguros de Ramos Reais SA
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter A. Arabadjiev (Berichterstatter) und C. G. Fernlund,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Crédito Agrícola Seguros – Companhia de Seguros de Ramos Reais SA, vertreten durch V. Ferreira Pires, advogado,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch P. Costa de Oliveira, K.-P. Wojcik und B. Rechena als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 12 Abs. 3 und Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2009/103/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und die Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht (ABl. 2009, L 263, S. 11).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Luís Isidro Delgado Mendes und der Crédito Agrícola Seguros – Companhia de Seguros de Ramos Reais SA (im Folgenden: CA Seguros) wegen des Ersatzes des von Herrn Delgado Mendes bei einem Verkehrsunfall erlittenen Schadens durch CA Seguros im Rahmen der Kraftfahrzeug-Haftpflicht.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
In Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 72/166/EWG des Rates vom 24. April 1972 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und der Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht (ABl. 1972, L 103, S. 1, im Folgenden: Erste Richtlinie) hieß es:
„Jeder Mitgliedstaat trifft … alle zweckdienlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Haftpflicht bei Fahrzeugen mit gewöhnlichem Standort im Inland durch eine Versicherung gedeckt ist. Die Schadensdeckung sowie die Modalitäten dieser Versicherung werden im Rahmen dieser Maßnahmen bestimmt.”
Rz. 4
Art. 1 Abs. 1 der Zweiten Richtlinie 84/5/EWG des Rates vom 30. Dezember 1983 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug- Haftpflichtversicherung (ABl. 1984, L 8, S. 17) in der durch die Richtlinie 2005/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 (ABl. 2005, L 149, S. 14) geänderten Fassung (im Folgenden: Zweite Richtlinie) lautete:
„Die in Artikel 3 Absatz 1 der [Ersten Richtlinie] bezeichnete Versicherung hat sowohl Sachschäden als auch Personenschäden zu umfassen....