Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Gerichtliche Zuständigkeit. Von einem Dritten erhobene Klage auf Gewährleistung oder Interventionsklage gegen eine Partei eines Verfahrens vor dem Gericht des Hauptprozesses
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 44/2001 Art. 6 Nr. 2
Beteiligte
SOVAG – Schwarzmeer und Ostsee Versicherungs-Aktiengesellschaft |
If Vahinkovakuutusyhtiö Oy |
Tenor
Art. 6 Nr. 2 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass er eine Klage umfasst, die ein Dritter in nach dem nationalen Recht zulässiger Weise gegen den Beklagten des Hauptprozesses erhoben hat und mit der ein mit dem Hauptprozess eng zusammenhängender Anspruch geltend gemacht wird, der auf die Erstattung von Entschädigungsleistungen gerichtet ist, die der Dritte an den Kläger dieses Hauptprozesses gezahlt hat, vorausgesetzt, die Klage ist nicht nur erhoben worden, um den Beklagten dem für ihn zuständigen Gericht zu entziehen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Korkein oikeus (Oberster Gerichtshof, Finnland) mit Entscheidung vom 14. November 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 18. November 2014, in dem Verfahren
SOVAG – Schwarzmeer und Ostsee Versicherungs-Aktiengesellschaft
gegen
If Vahinkovakuutusyhtiö Oy
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Dritten Kammer L. Bay Larsen in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Vierten Kammer, der Richter J. Malenovský und M. Safjan (Berichterstatter) sowie der Richterinnen A. Prechal und K. Jürimäe,
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: I. Illéssy, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 24. September 2015,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der SOVAG – Schwarzmeer und Ostsee Versicherungs-Aktiengesellschaft, vertreten durch Rechtsanwalt R. Heß, E. Salonen, asianajaja, und A. Staudinger,
- der If Vahinkovakuutusyhtiö Oy, vertreten durch J. Tanhuanpää,
- der finnischen Regierung, vertreten durch J. Heliskoski als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Wilderspin und E. Paasivirta als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 6 Nr. 2 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der SOVAG – Schwarzmeer und Ostsee Versicherungs-Aktiengesellschaft (im Folgenden: SOVAG), einer in Deutschland ansässigen Versicherungsgesellschaft, und der If Vahinkovakuutusyhtiö Oy (im Folgenden: If), einer Versicherungsgesellschaft mit Sitz in Finnland, wegen einer Klage auf Erstattung eines als Entschädigung an das Opfer eines Verkehrsunfalls gezahlten Geldbetrags.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Nach dem zweiten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 44/2001 dient diese im Interesse eines reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts dazu, „Bestimmungen zu erlassen, um die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen zu vereinheitlichen und die Formalitäten im Hinblick auf eine rasche und unkomplizierte Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus den durch diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaaten zu vereinfachen”.
Rz. 4
In den Erwägungsgründen 11 bis 13 und 15 dieser Verordnung heißt es:
„(11) Die Zuständigkeitsvorschriften müssen in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten, und diese Zuständigkeit muss stets gegeben sein außer in einigen genau festgelegten Fällen, in denen aufgrund des Streitgegenstands oder der Vertragsfreiheit der Parteien ein anderes Anknüpfungskriterium gerechtfertigt ist. Der Sitz juristischer Personen muss in der Verordnung selbst definiert sein, um die Transparenz der gemeinsamen Vorschriften zu stärken und Kompetenzkonflikte zu vermeiden.
(12) Der Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten muss durch alternative Gerichtsstände ergänzt werden, die entweder aufgrund der engen Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit oder im Interesse einer geordneten Rechtspflege zuzulassen sind.
(13) Bei Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen sollte die schwächere Partei durch Zuständigkeitsvorschriften geschützt werden, die für sie günstiger sind als die allgemeine Regelung.
…
(15) Im Interesse einer abgestimmten Rechtspflege müssen Parallelverfahren so weit wie möglich vermieden werden, damit nicht in zwei Mitgliedstaaten miteinander unvereinbare Entscheidungen ergehen. …”
Rz. 5
Die Zuständigkeit...