Entscheidungsstichwort (Thema)
Gleichbehandlung von Männern und Frauen. Gesetzliches System der Rentenversicherung. Richtlinie 79/7/EWG. Flugbegleiterinnen. Gewährung einer Rente, die gleich hoch ist wie die der Flugbegleiter. Einmalzahlung von Berichtigungsbeiträgen. Zahlung von Zinsen. Grundsatz der Effektivität. Verpflichtungen eines Mitgliedstaats, die sich aus einem Vorabentscheidungsurteil ergeben
Beteiligte
Office National des Pensions |
Office National des Pensions |
Tenor
1. Die Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit schließt, wenn ein Mitgliedstaat eine Regelung erlässt, mit der ursprünglich diskriminierten Personen eines bestimmten Geschlechts die Möglichkeit gegeben werden soll, für die gesamte Rentenbezugsdauer in den Genuss des für die Personen des anderen Geschlechts geltenden Rentensystems zu kommen,
- es nicht aus, dass dieser Mitgliedstaat den Anschluss an dieses System davon abhängig macht, dass Berichtigungsbeiträge, die in der Differenz zwischen den von den ursprünglich diskriminierten Personen in der Zeit der Diskriminierung entrichteten Beiträgen und den von der anderen Personengruppe im selben Zeitraum entrichteten höheren Beiträgen bestehen, zuzüglich Zinsen zum Ausgleich der Geldentwertung gezahlt werden;
- es dagegen aus, dass dieser Mitgliedstaat verlangt, dass zuzüglich zu diesen Berichtigungsbeträgen andere als die zum Ausgleich der Geldentwertung bestimmten Zinsen gezahlt werden;
- es auch aus, dass diese Zahlung als Einmalzahlung verlangt wird, wenn durch diese Voraussetzung die beabsichtigte Berichtigung praktisch unmöglich oder übermäßig erschwert wird. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der zu zahlende Betrag die Jahresrente des Betroffenen übersteigt.
2. Die Behörden des betreffenden Mitgliedstaats sind verpflichtet, aufgrund eines auf ein Vorabentscheidungsersuchen ergangenen Urteils, aus dem sich die Unvereinbarkeit nationaler Rechtsvorschriften mit dem Gemeinschaftsrecht ergibt, die allgemeinen oder besonderen Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, die Beachtung des Gemeinschaftsrechts zu sichern, indem sie insbesondere dafür sorgen, dass das nationale Recht so schnell wie möglich mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang gebracht und den Rechten, die dem Bürger aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsen, die volle Wirksamkeit verschafft wird.
Ist eine gemeinschaftsrechtswidrige Diskriminierung festgestellt worden, so ist das nationale Gericht, solange keine Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gleichbehandlung erlassen worden sind, gehalten, eine diskriminierende nationale Bestimmung außer Anwendung zu lassen, ohne dass es ihre vorherige Aufhebung durch den Gesetzgeber beantragen oder abwarten müsste, und auf die Mitglieder der benachteiligten Gruppe eben die Regelung anzuwenden, die für die Mitglieder der anderen Gruppe gilt.
Tatbestand
In den verbundenen Rechtssachen
betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht von der Cour du travail de Bruxelles (Belgien) mit Entscheidungen vom 10. Mai 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Mai 2006, in den Verfahren
Office national des pensions
gegen
Emilienne Jonkman (C-231/06),
Hélène Vercheval
und
Noëlle Permesaen (C-233/06)
gegen
Office national des pensions
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter R. Schintgen, A. Borg Barthet, M. Ilešič (Berichterstatter) und E. Levits,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 1. März 2007,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von E. Jonkman, H. Vercheval und N. Permesaen, vertreten durch J. Heynderickx, avocat,
- des Office national des pensions, vertreten durch R. Dupont und M. Willemet, avocats,
- der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von W. Ferrante, avvocato dello Stato,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch G. Rozet und M. van Beek als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 29. März 2007
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1 Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung der Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit (ABl. 1979, L 6, S. 24).
2 Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen Frau Jonkman, Frau Vercheval und Frau Permesaen einerseits und dem Office national des pensions (im Folgenden: ONP) andererseits.
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
3 Frau Jonkman, Frau Vercheval und Frau Permesaen, die als Flugbegleiterinnen bei der belgischen Fluggesellschaft Sabena SA tätig waren, beantragten eine Altersrente für das fliegende Personal der ...