Entscheidungsstichwort (Thema)
Zollverfahren mit wirtschaftlicher Bedeutung, Passive Veredelung, Voraussetzungen der Bewilligung einer passiven Veredelung, Erzeugung von Biokraftstoffen durch Vermischung von Benzin und Bioethanol
Leitsatz (amtlich)
Art. 148 Buchst. c der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften ist dahin auszulegen, dass, um im Rahmen eines Antrags auf Bewilligung des Verfahrens der passiven Veredelung zu beurteilen, ob die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme dieses Verfahrens erfüllt sind, nicht nur die wesentlichen Interessen der gemeinschaftlichen Hersteller von Erzeugnissen zu berücksichtigen sind, die dem aus den beabsichtigten Veredelungsvorgängen entstehenden Endprodukt entsprechen, sondern auch diejenigen der gemeinschaftlichen Hersteller von Erzeugnissen, die den nichtgemeinschaftlichen Grundstoffen oder Zwischenprodukten entsprechen, die bei diesen Vorgängen mit den Gemeinschaftswaren der vorübergehenden Ausfuhr vermischt werden sollen.
Normenkette
EWGV 2913/92 Art. 148 Buchst. c
Beteiligte
Staatssecretaris van Financiën |
Verfahrensgang
Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) (Beschluss vom 19.12.2014; Abl.EU 2015, Nr. C 107/19) |
Tatbestand
„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Zollunion ‐ Gemeinsamer Zolltarif ‐ Zollverfahren mit wirtschaftlicher Bedeutung ‐ Passive Veredelung ‐ Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 ‐ Art. 148 Buchst. c ‐ Erteilung einer Bewilligung ‐ Wirtschaftliche Voraussetzungen ‐ Keine erhebliche Beeinträchtigung wesentlicher Interessen von Verarbeitern in der Gemeinschaft ‐ Begriff ‚Verarbeiter in der Gemeinschaft‘“
In der Rechtssache C-4/15
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande) mit Entscheidung vom 19. Dezember 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 12. Januar 2015, in dem Verfahren
Staatssecretaris van Financiën
gegen
Argos Supply Trading BV
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz, der Richter C. Lycourgos, E. Juhász und C. Vajda sowie der Richterin K. Jürimäe (Berichterstatterin),
Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,
Kanzler: I. Illéssy, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. Januar 2016,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der Argos Supply Trading BV, vertreten durch J. A. G. Winkels und O. R. L. Gemin, belastingadviseurs,
‐ der niederländischen Regierung, vertreten durch M. Bulterman und B. Koopman als Bevollmächtigte,
‐ der griechischen Regierung, vertreten durch K. Nasopoulou und K. Karavasili als Bevollmächtigte,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Grønfeldt, H. Kranenborg und A. Lewis als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 7. April 2016
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 148 Buchst. c der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. 1992, L 302, S. 1; im Folgenden: Zollkodex).
Rz. 2
Es ergeht in einem Rechtsstreit zwischen dem Staatssecretaris van Financiën (Staatssekretär für Finanzen, Niederlande) und der Argos Supply Trading BV (im Folgenden: Argos) über die Ablehnung eines Antrags dieser Gesellschaft auf Bewilligung des passiven Veredelungsverkehrs durch die niederländischen Zollbehörden.
Rechtlicher Rahmen
Verordnung (EWG) Nr. 2473/86
Rz. 3
Die Verordnung (EWG) Nr. 2473/86 des Rates vom 24. Juli 1986 über den passiven Veredelungsverkehr und den Standard-Austausch-Verkehr (ABl. 1986, L 212, S. 1) enthielt die bis zum Inkrafttreten des Zollkodex für den passiven Veredelungsverkehr geltenden Bestimmungen. Der erste Erwägungsgrund dieser Verordnung lautete:
„Im Rahmen der internationalen Arbeitsteilung nehmen zahlreiche Unternehmen in der Gemeinschaft den passiven Veredelungsverkehr in Anspruch, der darin besteht, dass Waren ausgeführt werden, um nach Bearbeitung, Verarbeitung oder Ausbesserung wiedereingeführt zu werden. Die Inanspruchnahme dieses Zollverfahrens ist durch wirtschaftliche und technische Gründe gerechtfertigt.“
Zollkodex
Rz. 4
Der Zollkodex wurde zum 1. Mai 2106 durch die Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. 2013, L 269, S. 1, berichtigt im ABl. 2013, L 287, S. 90) ersetzt. In Anbetracht des für den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens maßgeblichen Zeitpunkts findet der Zollkodex in der vorliegenden Rechtssache jedoch weiterhin Anwendung.
Rz. 5
Die Erwägungsgründe 3 und 4 des Zollkodex lauteten:
„Ausgehend von dem Konzept eines Binnenmarktes muss der Zollkodex allgemeine Bestimmungen und Verfahrensvorschriften enthalten, welche die Anwendung der zolltariflichen und sonstigen Maßnahmen sicherstellen, die im Rahmen des Warenverkehrs zwischen der [Europäisch...