Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Besondere Zuständigkeiten im Fall einer unerlaubten Handlung oder einer Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist. Urheberrechte. Entmaterialisierter Inhalt. Veröffentlichung im Internet. Bestimmung des Ortes des schädigenden Ereignisses. Kriterien
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 44/2001 Art. 5 Nr. 3
Beteiligte
Tenor
Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass im Fall der Geltendmachung einer Verletzung von Urheber- und verwandten Schutzrechten, die vom Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts gewährleistet werden, dieses Gericht in Anknüpfung an den Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs für eine Klage auf Schadensersatz wegen Verletzung dieser Rechte durch die Veröffentlichung von geschützten Lichtbildern auf einer in seinem Bezirk zugänglichen Website zuständig ist. Dieses Gericht ist nur für die Entscheidung über den Schaden zuständig, der im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats verursacht worden ist, zu dem es gehört.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Handelsgericht Wien (Österreich) mit Entscheidung vom 3. Juli 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 5. August 2013, in dem Verfahren
Pez Hejduk
gegen
EnergieAgentur.NRW GmbH
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen, der Richterin K. Jürimäe, der Richter J. Malenovský und M. Safjan (Berichterstatter) sowie der Richterin A. Prechal,
Generalanwalt: P. Cruz Villalón,
Kanzler: A. Calot Escobar,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Frau Hejduk, vertreten durch Rechtsanwalt M. Pilz,
- der EnergieAgentur.NRW GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt M. Wukoschitz,
- der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes und E. Pedrosa als Bevollmächtigte,
- der schweizerischen Regierung, vertreten durch M. Jametti als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch A.-M. Rouchaud-Joët und M. Wilderspin als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 11. September 2014
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Hejduk, wohnhaft in Wien (Österreich), und der EnergieAgentur.NRW GmbH (im Folgenden: EnergieAgentur) mit Sitz in Düsseldorf (Deutschland) wegen Feststellung, dass eine Urheberrechtsverletzung begangen wurde, indem von Frau Hejduk hergestellte Lichtbilder ohne ihre Zustimmung auf der Website von EnergieAgentur veröffentlicht wurden.
Rechtlicher Rahmen
Verordnung Nr. 44/2001
Rz. 3
Wie sich aus ihrem zweiten Erwägungsgrund ergibt, enthält die Verordnung Nr. 44/2001 im Interesse eines reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts „Bestimmungen …, um die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen zu vereinheitlichen und die Formalitäten im Hinblick auf eine rasche und unkomplizierte Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus den durch diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaaten zu vereinfachen”.
Rz. 4
In den Erwägungsgründen 11, 12 und 15 dieser Verordnung heißt es:
„(11) Die Zuständigkeitsvorschriften müssen in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten, und diese Zuständigkeit muss stets gegeben sein außer in einigen genau festgelegten Fällen, in denen aufgrund des Streitgegenstands oder der Vertragsfreiheit der Parteien ein anderes Anknüpfungskriterium gerechtfertigt ist. Der Sitz juristischer Personen muss in der Verordnung selbst definiert sein, um die Transparenz der gemeinsamen Vorschriften zu stärken und Kompetenzkonflikte zu vermeiden.
(12) Der Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten muss durch alternative Gerichtsstände ergänzt werden, die entweder aufgrund der engen Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit oder im Interesse einer geordneten Rechtspflege zuzulassen sind.
…
(15) Im Interesse einer abgestimmten Rechtspflege müssen Parallelverfahren so weit wie möglich vermieden werden, damit nicht in zwei Mitgliedstaaten miteinander unvereinbare Entscheidungen ergehen …”
Rz. 5
Die Zuständigkeitsregeln sind in Kapitel II der Verordnung enthalten.
Rz. 6
Art. 2 Abs. 1, der zu Abschnitt 1 („Allgemeine Vorschriften”) des Kapitels II der Verordnung Nr. 44/2001 gehört, lautet:
„Vorbehaltlich der Vorschriften dieser Verordnung sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet ei...