Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Gesundheit. Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte. Zulassung. Begriff der ‚Lagerung tierischer Nebenprodukte‘. Unterbrechung eines Transportvorgangs von bis zu acht Stunden
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 1069/2009; Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 Art. 24 Abs. 1 Buchst. i
Beteiligte
Landkreis Jerichower Land |
Landkreis Jerichower Land |
Tenor
Art. 24 Abs. 1 Buchst. i der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 mit Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 (Verordnung über tierische Nebenprodukte)
ist dahin auszulegen, dass
der dort verwendete Begriff der „Lagerung“ die Unterbrechung eines Transportvorgangs für einen Zeitraum von einigen Stunden bis zu acht Stunden erfasst, während dessen Transportbehälter mit tierischen Nebenprodukten der Kategorie 3 von einem Transportfahrzeug in ein anderes umgeladen werden, bevor sie zu einer Verarbeitungsanlage gebracht werden, ohne dass diese tierischen Nebenprodukte während dieser Unterbrechung behandelt oder in andere Transportbehälter umgefüllt werden.
Tatbestand
In der Rechtssache C-85/23
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (Deutschland) mit Entscheidung vom 24. Januar 2023, beim Gerichtshof eingegangen am 15. Februar 2023, in dem Verfahren
Landkreis Jerichower Land
gegen
A.
erlässt
DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten F. Biltgen, des Richters J. Passer (Berichterstatter) und der Richterin M. L. Arastey Sahún,
Generalanwalt: N. Emiliou,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- – von A., vertreten durch Rechtsanwalt J. Hagmann,
- – der griechischen Regierung, vertreten durch E. Leftheriotou und A.-E. Vasilopoulou als Bevollmächtigte,
- – der Europäischen Kommission, vertreten durch B. Hofstötter und G. Koleva als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 24 Abs. 1 Buchst. i der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 mit Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 (Verordnung über tierische Nebenprodukte) (ABl. 2009, L 300, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Landkreis Jerichower Land (Deutschland) und A., einer Gesellschaft deutschen Rechts, wegen eines A. auferlegten Verbots, Transportbehälter mit tierischen Nebenprodukten in einer ihrer Hallen zu lagern.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 1, 2, 5, 6, 11 und 36 der Verordnung Nr. 1069/2009 heißt es:
„(1) Nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte können Risiken für die Gesundheit von Mensch und Tier bergen. In der Vergangenheit haben Krisen im Zusammenhang mit dem Ausbruch der Maul- und Klauenseuche, der Verbreitung transmissibler spongiforme[r] Enzephalopathien wie etwa der bovinen spongiformen Enzephalopathie und dem Vorhandensein von Dioxinen in Futtermitteln gezeigt, welche Folgen die unsachgemäße Verwendung bestimmter tierischer Nebenprodukte für die Gesundheit von Mensch und Tier, für die Sicherheit der Lebensmittel- und Futtermittelkette und für das Vertrauen der Verbraucher hat. Ferner können derartige Krisen weiter gehende negative Folgen für die Gesellschaft als Ganzes haben, da sie sich auf die sozioökonomische Lage der betroffenen Landwirte und Wirtschaftszweige sowie auf das Vertrauen der Verbraucher in die Sicherheit von Erzeugnissen tierischen Ursprungs auswirken. Ein Ausbruch von Seuchen könnte auch für die Umwelt negative Folgen haben, nicht nur wegen der bei der Beseitigung auftretenden Probleme, sondern auch im Hinblick auf die Artenvielfalt.
(2) Tierische Nebenprodukte entstehen hauptsächlich während der Schlachtung von Tieren, die für den menschlichen Verzehr bestimmt sind, bei der Herstellung von Erzeugnissen tierischen Ursprungs wie Milcherzeugnissen, bei der Beseitigung toter Tiere und im Zuge der Seuchenbekämpfung. Unabhängig von ihrer Quelle stellen sie ein mögliches Risiko für die Gesundheit von Mensch und Tier sowie für die Umwelt dar. Dieses Risiko muss auf geeignete Weise begrenzt werden, und zwar dadurch, dass solche Produkte unter strengen Bedingungen, die die betreffende[n] Gesundheitsrisiken verringern, entweder sicher beseitigt oder für andere Zwecke verwendet werden.
…
(5) Die Hygienevorschriften der Gemeinschaft bezüglich der Sammlung, des Transports, der Handhabung, der Behandlung, der U...