Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Öffentliche Gesundheit. Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte. Kategorisierung der Produkte. Zersetzung, Verderb und Vorhandensein von Fremdkörpern. Auswirkungen auf die ursprüngliche Kategorisierung
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 Art. 9 Buchst. d, Art. 10 Buchst. a, f.
Beteiligte
Tenor
Art. 7 Abs. 1, Art. 9 Buchst. h und Art. 10 Buchst. a und f der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 mit Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 (Verordnung über tierische Nebenprodukte) sind im Licht von Art. 4 Abs. 2 der Verordnung dahin auszulegen, dass tierische Nebenprodukte, die nach Art. 10 Buchst. a und f der Verordnung ursprünglich als Material der Kategorie 3 eingestuft worden sind, wenn sie sich durch Zersetzung oder Verderb so verändert haben oder mit Fremdkörpern wie Putzstücken oder Sägespänen so durchsetzt sind, dass sie nicht mehr genusstauglich sind und/oder bei ihnen nicht angenommen werden kann, dass von ihnen keine Gefahr für die Gesundheit von Mensch oder Tier ausgeht, nicht den ihrer Kategorie entsprechenden Grad der Gefahr aufweisen und daher in eine niedrigere Kategorie einzustufen sind.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgericht Gera (Deutschland) mit Entscheidung vom 14. November 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 18. November 2019, in dem Verfahren
Toropet Ltd
gegen
Landkreis Greiz
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Vilaras, der Richter N. Piçarra, D. Šváby (Berichterstatter) und S. Rodin sowie der Richterin K. Jürimäe,
Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Toropet Ltd, vertreten durch Rechtsanwalt S. Artopée,
- des Landkreises Greiz, vertreten durch K. Reiher als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch B. Eggers und W. Farrell als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 20. Mai 2021
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 9 Buchst. d und Art. 10 Buchst. a und f der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 mit Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 (Verordnung über tierische Nebenprodukte) (ABl. 2009, L 300, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Toropet Ltd, einer Gesellschaft englischen Rechts, die Inhaberin eines in Deutschland ansässigen Betriebs ist, in dem Schlachtprodukte verarbeitet werden, und dem Landkreis Greiz (Deutschland) wegen der von diesem getroffenen Anordnung der Beseitigung bestimmter tierischer Nebenprodukte.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Verordnung (EG) Nr. 178/2002
Rz. 3
Die Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. 2002, L 31, S. 1) bestimmt in Art. 14 Abs. 5:
„Bei der Entscheidung der Frage, ob ein Lebensmittel für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet ist, ist zu berücksichtigen, ob das Lebensmittel infolge einer durch Fremdstoffe oder auf andere Weise bewirkten Kontamination, durch Fäulnis, Verderb oder Zersetzung ausgehend von dem beabsichtigten Verwendungszweck nicht für den Verzehr durch den Menschen inakzeptabel geworden ist.”
Verordnung (EG) Nr. 1013/2006
Rz. 4
In Art. 2 Nr. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Verbringung von Abfällen (ABl. 2006, L 190, S. 1, Berichtigung ABl. 2015, L 277, S. 61) ist der Begriff „gefährliche Abfälle” definiert als Abfälle im Sinne von Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 91/689/EWG des Rates vom 12. Dezember 1991 über gefährliche Abfälle (ABl. 1991, L 377, S. 20).
Verordnung (EG) Nr. 853/2004
Rz. 5
Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 mit spezifischen Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs (ABl. 2004, L 139, S. 55, Berichtigung ABl. 2004, L 226, S. 22) bestimmt in den Nrn. 1.9 und 8.1:
„1.9. ‚Schlachtkörper’ Körper eines Tieres nach dem Schlachten und Zurichten (‚dressing’);
…
8.1. ‚Erzeugnisse tierischen Ursprungs’
- Lebensmittel tierischen Ursprungs, einschließlich Honig und Blut,
- zum menschlichen Verzehr bestimmte lebende Muscheln, lebende Stachelhäuter, lebende Manteltiere und lebende Mee...