Entscheidungsstichwort (Thema)
Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit. Gleichbehandlung. Selbständige Grenzgänger. Landpacht. Agrarstruktur
Beteiligte
Tenor
Nach Art. 15 Abs. 1 des Anhangs I des am 21. Juni 1999 in Luxemburg unterzeichneten Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit muss eine Vertragspartei den „selbständigen Grenzgängern” einer anderen Vertragspartei im Sinne des Art. 13 dieses Anhangs hinsichtlich des Zugangs zu einer selbständigen Erwerbstätigkeit und deren Ausübung im Aufnahmestaat eine Behandlung gewähren, die nicht weniger günstig ist als die den eigenen Staatsangehörigen gewährte Behandlung.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 23. November 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 14. Januar 2008, in der Sache
Erich Stamm,
Anneliese Hauser,
weiterer Beteiligter:
Regierungspräsidium Freiburg,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, der Richterin R. Silva de Lapuerta und der Richter E. Juhász (Berichterstatter), G. Arestis und J. Malenovský,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Stamm, vertreten durch Rechtsanwalt J. Strick,
- des Regierungspräsidiums Freiburg, vertreten durch P. Brecht als Bevollmächtigten,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch E. Traversa und F. Hoffmeister als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 12 Abs. 1, 13 Abs. 1 und 15 Abs. 1 des Anhangs I des am 21. Juni 1999 in Luxemburg unterzeichneten Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit (ABl. 2002, L 114, S. 6, im Folgenden: Abkommen).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Stamm und Frau Hauser einerseits und dem Regierungspräsidium Freiburg andererseits über die Anwendbarkeit des Grundsatzes der Gleichbehandlung auf die selbständigen Schweizer Grenzgänger.
Rechtlicher Rahmen
Das Abkommen
Rz. 3
Nach Art. 1 Buchst. a und d des Abkommens besteht dessen Ziel u. a. in der Einräumung eines Rechts auf Einreise, Aufenthalt, Zugang zu einer unselbständigen Erwerbstätigkeit und Niederlassung als Selbständiger sowie des Rechts auf Verbleib im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien und der Einräumung der gleichen Lebens-, Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen wie für Inländer zugunsten der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft.
Rz. 4
Nach Art. 2 des Abkommens werden „[d]ie Staatsangehörigen einer Vertragspartei, die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei aufhalten, … bei der Anwendung dieses Abkommens gemäß den Anhängen I, II und III nicht aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit diskriminiert”.
Rz. 5
Art. 16 des Abkommens („Bezugnahme auf das Gemeinschaftsrecht”) lautet:
- „Zur Erreichung der Ziele dieses Abkommens treffen die Vertragsparteien alle erforderlichen Maßnahmen, damit in ihren Beziehungen gleichwertige Rechte und Pflichten wie in den Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft, auf die Bezug genommen wird, Anwendung finden.
- Soweit für die Anwendung dieses Abkommens Begriffe des Gemeinschaftsrechts herangezogen werden, wird hierfür die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vor dem Zeitpunkt der Unterzeichnung berücksichtigt. Über die Rechtsprechung nach dem Zeitpunkt der Unterzeichnung dieses Abkommens wird die Schweiz unterrichtet. Um das ordnungsgemäße Funktionieren dieses Abkommens sicherzustellen, stellt der Gemischte Ausschuss auf Antrag einer Vertragspartei die Auswirkungen dieser Rechtsprechung fest.”
Rz. 6
Kapitel III des der Freizügigkeit gewidmeten Anhangs I des Abkommens enthält besondere Bestimmungen für Selbständige. Art. 12 dieses Anhangs bestimmt in seinem Abs. 1, dass „[e]in Staatsangehöriger einer Vertragspartei, der sich zwecks Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei niederlassen will (im Folgenden ‚Selbständiger’ genannt), … eine Aufenthaltserlaubnis mit einer Gültigkeitsdauer von mindestens fünf Jahren, gerechnet ab dem Zeitpunkt der Erteilung [erhält], sofern er den zuständigen nationalen Behörden nachweist, dass er zu diesem Zweck niedergelassen ist oder sich niederlassen will”.
Rz. 7
Die Abs. 2 bis 6 dieses Artikels en...