Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Umwelt. Übereinkommen von Aarhus. Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen. Ablehnung eines Antrags auf Zugang zu Informationen. Aufzeichnungen von Sitzungen einer Regierung. Debatten über Treibhausgasemissionen. Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu Informationen. Begriffe ‚interne Mitteilungen‘ und ‚Beratungen von Behörden‘. Gerichtlicher Rechtsbehelf. Aufhebung der ablehnenden Entscheidung. In dem Urteil bestimmte anwendbare Ausnahme. Rechtskraft
Normenkette
Richtlinie 2003/4/EG Art. 4 Abs. 1 und 2
Beteiligte
Tenor
1.Art. 4 der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates
ist dahin auszulegen, dass
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- die in Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2003/4 vorgesehene Ausnahme für „interne Mitteilungen“ alle Informationen erfasst, die innerhalb einer Behörde im Umlauf sind und die zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Zugang zu diesen Informationen, gegebenenfalls nachdem sie bei dieser Behörde eingegangen sind und soweit sie der Öffentlichkeit vor diesem Eingang nicht zugänglich gemacht worden sind oder hätten zugänglich gemacht werden müssen, den Binnenbereich dieser Behörde nicht verlassen haben,
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- die in Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a der Richtlinie vorgesehene Ausnahme für „Beratungen von Behörden“ nur die Informationen erfasst, die im Rahmen der Endphasen der Entscheidungsprozesse von Behörden, die nach nationalem Recht eindeutig als Beratungen bezeichnet sind, ausgetauscht werden und für die dieses Recht eine Geheimhaltungspflicht vorsieht, und
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- die gleichzeitige Anwendung der in Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e bzw. Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie vorgesehenen Ausnahmen vom Zugangsrecht ausgeschlossen ist, weil die zweite Bestimmung zum Schutz der „Beratungen von Behörden“ gegenüber der ersten, die den Schutz „interner Mitteilungen“ betrifft, Vorrang hat.
2.Art. 6 der Richtlinie 2003/4 im Licht der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität
ist dahin auszulegen, dass
er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, nach der der Grundsatz der Rechtskraft eine Person, die in einem ersten Urteil die Aufhebung einer Entscheidung erwirkt hat, mit der ihr Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen abgelehnt worden war, im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen denselben Parteien über die Rechtmäßigkeit einer zweiten Entscheidung über denselben Antrag auf Zugang, die erlassen wurde, um dem ersten Urteil nachzukommen, daran hindert, einen Verstoß gegen Art. 4 der Richtlinie 2003/4 zu rügen, wenn diese Rüge im ersten Urteil zurückgewiesen wurde, ohne dass dies im Tenor dieses Urteils enthalten war, und dieses Urteil mangels einer Klage des Zugangsantragstellers rechtskräftig geworden ist. Sofern die anwendbaren innerstaatlichen Verfahrensvorschriften dies zulassen, muss ein nationales Gericht es dieser Person jedoch ermöglichen, diese Rüge geltend zu machen, damit gegebenenfalls die Vereinbarkeit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Situation mit dem Unionsrecht wiederhergestellt wird.
Tatbestand
In der Rechtssache C-84/22
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom High Court (Hohes Gericht, Irland) mit Entscheidung vom 8. Februar 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 8. Februar 2022, in dem Verfahren
Right to Know CLG
gegen
An Taoiseach
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Lycourgos, der Richterin O. Spineanu-Matei, der Richter J.-C. Bonichot (Berichterstatter) und S. Rodin sowie der Richterin L. S. Rossi,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- – der Right to Know CLG, vertreten durch D. Browne, BL, F. Logue, Solicitor, und N. J. Travers, SC,
- – des An Taoiseach und Irlands, vertreten durch M. Browne, E. O’Hanrahan und A. Joyce als Bevollmächtigte im Beistand von A. Carroll, BL, und B. Kennedy, SC,
- – der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Gattinara und L. Haasbeek als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 17. Mai 2023
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e und Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates (ABl. 2003, L 41, S. 26, im Folgenden auch: Umweltinformationsrichtlinie) sowie die Grundsätze der Rechtskraft und der Effektivität.
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Right to Know CLG, einer gemeinnützigen Organisation irischen Rechts, und dem An Taoiseach (Premie...