Entscheidungsstichwort (Thema)
Öffentliche Dienstleistungsaufträge. Richtlinie 2004/18/EG. Begriffe ‚Unternehmer’. ‚Lieferant’ und ‚Dienstleistungserbringer’. Begriff ‚Wirtschaftsteilnehmer’. Universitäten und Forschungsinstitute. Gruppe (‚consorzio’) von Universitäten und Behörden. Satzungsmäßiger Zweck, der nicht in erster Linie auf Gewinnerzielung gerichtet ist. Zulassung zur Teilnahme an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags
Beteiligte
Consorzio Nazionale Interuniversitario per le Scienze del Mare (CoNISMa) |
Tenor
1. Die Bestimmungen der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge, insbesondere die Art. 1 Abs. 2 Buchst. a und Art. 8 Unterabs. 1 und 2, die auf den Begriff „Wirtschaftsteilnehmer” Bezug nehmen, sind dahin auszulegen, dass sie es Einrichtungen, die nicht in erster Linie Gewinnerzielung anstreben, nicht über die Organisationsstruktur eines Unternehmens verfügen und nicht ständig auf dem Markt tätig sind, wie Universitäten und Forschungsinstitute sowie Gruppen von Universitäten und Behörden, gestatten, an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrag teilzunehmen.
2. Die Richtlinie 2004/18 ist dahin auszulegen, dass sie der Auslegung einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, die es Einrichtungen wie Universitäten und Forschungsinstituten, die nicht in erster Linie Gewinnerzielung anstreben, untersagt, sich an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags zu beteiligen, obwohl sie nach nationalem Recht berechtigt sind, die auftragsgegenständlichen Leistungen zu erbringen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Consiglio di Stato (Italien) mit Entscheidung vom 23. Juni 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Juli 2008, in dem Verfahren
Consorzio Nazionale Interuniversitario per le Scienze del Mare (CoNISMa)
gegen
Regione Marche
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Dritten Kammer K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Vierten Kammer, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter E. Juhász (Berichterstatter), G. Arestis und J. Malenovský,
Generalanwalt: J. Mazák,
Kanzler: R. Grass,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- des Consorzio Nazionale Interuniversitario per le Scienze del Mare (CoNISMa), vertreten durch I. Deluigi, avvocato,
- der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek als Bevollmächtigten,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch M. Fruhmann als Bevollmächtigten,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch C. Zadra und D. Recchia als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 3. September 2009
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a und Abs. 8 Unterabs. 1 und 2 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. L 134, S. 114).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Consorzio Nazionale Interuniversitario per le Scienze del Mare (Nationaler Universitätenverbund für Meereswissenschaften, im Folgenden: CoNISMa) und der Regione Marche wegen deren Entscheidung, den Verbund von der Teilnahme an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags auszuschließen.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
Rz. 3
Im vierten Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/18 heißt es:
„Die Mitgliedstaaten sollten dafür sorgen, dass die Teilnahme einer Einrichtung des öffentlichen Rechts als Bieter in einem Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge keine Wettbewerbsverzerrungen gegenüber privatrechtlichen Bietern verursacht.”
Rz. 4
Art. 1 Abs. 2 Buchst. a dieser Richtlinie sieht vor:
„‚Öffentliche Aufträge’ sind zwischen einem oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern und einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern geschlossene schriftliche entgeltliche Verträge über die Ausführung von Bauleistungen, die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne dieser Richtlinie”.
Rz. 5
Art. 1 Abs. 8 der Richtlinie bestimmt:
„Die Begriffe ‚Unternehmer’, ‚Lieferant’ und ‚Dienstleistungserbringer’ bezeichnen natürliche oder juristische Personen, öffentliche Einrichtungen oder Gruppen dieser Personen und/oder Einrichtungen, die auf dem Markt die Ausführung von Bauleistungen, die Errichtung von Bauwerken, die Lieferung von Waren bzw. die Erbringung von Dienstleistungen anbieten.
Der Begriff ‚Wirtschaftsteilnehmer’ umfasst sowohl Unternehmer als auch Lieferanten und Dienstleistungserbringer. Er dient ausschließlich der Vereinfachung des Textes.
…”
Rz. 6
Art. 1 Abs. 9 ...